Eine Eigenart seines Schaffens besteht in der Versenkung in kleine und kleinste Details. Ihr Studium war ihm unentbehrliche Arbeitsgrundlage. Solche Arbeitsmethode bot für die Erforschung der Denkmale und ihrer Geschichte günstige Voraussetzungen, denn größte Sorgfalt im Detail ist dabei unerläßlich. So hat er in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" bei der Schilderung der alten Schlösser all die darin enthaltenen Kunstwerke, die Stiche, Radierungen, Aquarelle, Gemälde liebevoll mit aufgenommen und teils ausführlich beschrieben. Von der Liebe zum Detail, zum Kleinen ganz durchdrungen ist die Darstellung eines Museumsbesuches in dem Roman „Der Stechlin". Dubslav von Stechlin, die Gestalt, der Fontane so viel von seinem eignen Wesen lieh, hatte eine kleine Sammlung von allerlei historischen Erinnerungsstücken angelegt und sie „Museum" getauft. Darunter befanden sich Wetterfahnen, Kirchenreliquien, ein altes Schloßfenster und ähnliches. In keiner Weise sollte der Verdacht erweckt werden, als wolle dieses Museum sich mit wirklich systematischen Sammlungen messen. Sein spezieller Wert bestand darin, daß kleinen Dingen Beachtung geschenkt wurde, die, in einer größeren Sammlung vielleicht von nebensächlicher Bedeutung, hier doch geeignet waren, die örtliche Geschichte zu beleben und manchen Aufschluß darüber zu geben — Gedanken, die bei der Einrichtung von Ortsmuseen auch heute noch ihre Berechtigung haben.
Mitunter hat Fontane seine Denkmalstudien bis an den Rand geistiger und körperlicher Erschöpfung getrieben. So schrieb er im Jahre 1871 aus Warnemünde: „Daß es keine Sehenswürdigkeiten gibt, ist ein ganz besondres Glück; ich bin so kathedralen- und galerienmüde, wie man es nur sein kann, und jedes Schloß, das ich nicht zu sehen brauche, ist ein Segen für mich". 2 " Aus seinen Notizen geht hervor, daß er sich bei den Vorarbeiten zu den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg", als er den Niederbarnim bereiste, ein Tagespensum von sechs bis zehn Dörfern vomahm. 24
Seine Kenntnisse von den Denkmalen erwarb Fontane durch das Studium der Fachliteratur, durch den Rat Sachkundiger, durch Ortsbesichtigungen, Gespräche mit Ortsansässigen, Einsicht in Archive und durch Umfragen. 25 Unter den Sachkundigen, die zum Bekanntenkreis Fontanes gehörten, spielen in der Geschichte der Denkmalpflege neben dem Konservator der Kunstdenkmäler, Ferdinand von Quast, auch Franz Kugler 20 und Friedrich Adler 27 eine Rolle.
Die freundliche Hilfe, die Fontane bei seiner Arbeit von den märkischen Lehrern gewährt wurde, hebt er dankend hervor. Solch einem Dorfschullehrer hat er in der Gestalt des Krippenstapel im ,Stechlin' ein Denkmal gesetzt. Aufschlußreich ist die Kontroverse zwischen dem Lehrer und dem Ministerial- assessor von Rex, der mit einigen oberflächlichen kunstgeschichtlichen Kenntnissen versehen, dem Urteil des einfachen Dorfschullehrers mißtraut und von v °rnherein geneigt ist, höhere „amtliche Autoritäten" zu Rate zu ziehen. Fontane aber schildert seinen Krippenstapel als den besser unterrichteten, den Wissenschaftlich ernst zu nehmenden. Der gesellschaftskritische Aspekt, im •Stechlin' besonders ausgeprägt, ist auch in dieser kleinen Szene unverkennbar; zugleich beleuchtet sie eine für die Geschichte der Denkmalpflege im 19. Jahr- undert charakteristische Erscheinung.
191