Issue 
(1970) 11
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Theodor Fontane, Briefe an Hermann Kletke. In Verbindung mit dem Deut­schen Literaturarchiv Marbach a. N. herausgegeben von Helmuth Nürnberger. Carl Hanser Verlag, München 1969.

Vier Fünftel der hier gesammelten Briefe würden heutzutage überhaupt nicht geschrieben werden, weil man ihren Inhalt rascher und bequemer mit einem Ein-Minuten-Telefonat übermitteln könnte. Es sind durchweg Anfragen und Bitten, Begleitschreiben für Manuskripte und Korrekturfahnen, Terminabspra­chen, Umfangberechnungen und Honorarforderungen eineGeschäftskorre­spondenz" also, die nichts Sensationelles bringt und mit den großen Bekennt­nisbriefwechseln mit Lepel oder Friedlaender in keiner Weise konkurrieren kann. Und doch wächst sich unter der Hand des passionierten Epistolographen Fontane selbst manche dieser nüchternen Mitteilungen zu einem liebens­würdigen kleinen Briefkunstwerk aus, in dem der Verfasser nicht mit Bekennt­nissen zurückhält. So schreibt er am 27. Februar 1880:Zwei meiner Söhne sind zur Zeit Soldat, aber ich bekenne offen, daß mich die alleinseligmachende Militärhose nachgerade zur Verzweiflung bringt. Spartanertum! Bah, Maschi- nentum ist es. Und jeden Tag wird es toller." Vor allem freilich sind diese Briefe an den Chefredakteur der angesehenen Vossischen Zeitung für Forschung und Edition unentbehrlich. Sie geben wichtige Aufschlüsse über Entstehungs­und Druckgeschichte und ermöglichen die Identifikation anonym veröffent­lichter und bisher noch nicht als Arbeiten Fontanes erkannter Texte. So konnte Helmut Nürnberger außer den 78 Briefen an Kletke (von denen nahezu zwei Drittel bisher nicht publiziert waren) einige Notizen und Rezensionen Fontanes in der Vossischen Zeitung erstmals aufspüren. Er hat diese Beiträge zusam­men mit anderen Arbeiten, die in den Briefen erwähnt werden, in einer zweiten Abteilung des vorliegenden Bandes zusammengestellt. Brief- und Dokumententeil werden ausgiebig und sehr kenntnisreich erläutert und über­dies durch ein Personenregister erschlossen. Bei der Darstellung von Fontanes Verhältnis zur Vossin ist Nürnberger allerdings ein recht gewichtiger Umstand entgangen. Er schreibt an zwei Stellen (S. 13 und 137), daß Fontane als Erzäh­ler nur mitIrrungen, Wirrungen" in der Vossischen Zeitung vorgestellt wor­den sei. Vom 29. Juli bis zum 20. August 1882 brachte die Zeitung indes auch Schach von Wuthenow" im Vorabdruck. Zu korrigieren ist die Angabe über den Abdruck des Alexis-Essays (S. 126), der nichtEnde 1872 und Anfang 1873", sondern von Juli bis September 1872 in RodenbergsSalon" erschien. Die im Brief Nr. 70 apostrophierteZietenhusarenschaft", die Helmuth Nürnberger mit einemnicht ermittelt" versehen hat, dürfte vermutlich mit derGeschichte des Zietenschen Husaren-Regiments" (Berlin 1874) von Armand Leon von Ardenne (dem Urbild Innstettens) Zusammenhängen, die Fontane zu dieser Zeit gerade las (vgl. Theodor Fontane, Romane und Erzählungen in acht Bänden, hrsg. von Peter Goldammer, Gotthard Erler, Anita Gold und Jürgen Jahn, Berlin und Weimar 1969, Band 7, S. 526).

Gotthard Erler, Berlin

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