Heft 
(1971) 12
Seite
234
Einzelbild herunterladen

begegnet man auch einer großen Zahl höchst simpler Subjekte und armer Teufel. An Bord waren mehrere Engländer, darunter ein Mister Lockhardt mit seinem Boy. Mr. Lockhardt vielleicht der Sohn vom Schwiegersohn Walter Scotts. Er reiste nach Arnstadt oder kam dorther; ich hatte kurze Gespräche mit ihm.

Das Wetter war anfangs neblig, dann windig, dann kam ein starker Regenschauer, das alles störte aber doch kaum eine halbe Stunde und im Wesentlichen war just das Wetter, das ich liebe. Es ist nicht zu leugnen, daß diese Rheinfahrt etwas Entzückendes hat: die Felsenufer mit ihren Weingeländen, die malerischen Dörfer die sich in dichter Reihenfolge am Ufer hinziehn, die prächtigen Kirchen und Stadtthürme, die Burgen (meist Ruinen, einzelne restaurirt, eine sogar glücklich erhalten, ich glaube dieMarksburg) das alles schafft hier ein Pano­rama, wie es die Welt wahrscheinlich nicht zum zweiten Male besitzt. Es ist lächerlich das leugnen zu wollen. Man braucht diesen Dingen gegenüber nicht zu verhimmeln, man kann im Einzelnen tadeln, man kann hier und da sagendas gefällt mir nicht sehr oderich hab mir das schöner gedacht, das Endresultat wird immer das sein: als Ganzes unübertroffen. Schönheit der Natur (und zwar jeder Art von Natur, denn es kommen auch Flachlandschaften und Femsichten vor) große histo­rische Erinnerungen, Traditionen alter deutscher Kaiserpracht, Sagen und Legenden, mustergültige Baudenkmäler (und zwar zu Dutzenden) buntes heitres Leben und der schönste Wein, alles kommt hier zusammen, um diesen Fleck Erde allerdings zu dem beschauens- und begehrenswerthesten zu machen, den man sich denken kann. Leider hängt er nur lose an Deutschland und an Preußen gar nicht. Auf dem Rechts-Ufer ist man lau und flau, kosmopolitisch, behaglich, selbstbewußt, vielleicht leidlich deutsch, aber sicherlich nicht preußisch; auf dem linken Rheinufer sprechen die Leute in Rhednhessen und Rheinpfalz (z. B. in Worms) offen ihre Hinneigung zu Frankreich aus. Daß die Franzosen zweimal ihr Land verwüstet, ist ihnen gleichgültig, ist vergessen; die französische Kaiserzeit aber die sie mitdurchgefochten, an deren Sieg sie theil- genommen, lebt in aller Herzen 41 .

Die schönsten Punkte bis Bingen sind wohl folgende:

a. Lahneck (an der Einmündung der Lahn) und das gegenüber gelegene Solzenfels.

b. Ruine Rheinfels und die ganze Szenerie drum herum: St. Goar, Goars­hausen, die Ruine Thurnberg und die Ruine Katz.

c. Burg Rheinstein, Besitz des alten Prinzen Friedrich von Preußen, der dort in der Kirche oder Kapelle auch beigesetzt ist.

d. Caub und die Pfalz (schon vor Rheinstein)

e. Die Parthie am Binger hoch und Mäusethurm, links Ruine Ehrenfels Asmannshausen und Rüdesheim, rechts Bingen an der Einmündung der Nahe.

Hier stoßen Nassau, Rheinhessen und Rheinpreußen zusammen. Was nördlich von der Nahe ist, ist preußisch, was südlich ist, ist Rheinhessen