Heft 
(1971) 12
Seite
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Worms ist hessen-darmstädtisch, Speier ist bairisch; in Hessen-Darmstadt gebrach es an Sinn und Mitteln, um (bisher wenigstens) dem Wormser Dom seine alte Herrlichkeit wiederzugeben; in Baiern hingegen war beides vorhanden und drei Könige hintereinander haben dahin gewirkt, diesen historisch und künstlerisch so berühmten Bau wiederherzustellen Diese 3 Könige waren: Maximilian Joseph I, Ludwig I und Maximilian II. Das Aueßre der Kirche ist dem Wormser sehr ähnlich; doch ist der letztre (übrigens kleiner) edler, oder doch graziöser in seinen Formen. Wenn ich recht gesehn habe, sind die 4 Thürme des Wormser Domes rund, während die des Speirer viereckig sind. Auch die kleinen Rundbogen-Colonnaden an Schiff und Thürmen sind am Speirer Dom schwerfälliger als am Wormser.

Das Innre der Kirche wirkt außerordentlich. Zu der großartig einfachen Würde der romanischen Formen, kommt eine sich einschmeichelnde goldene Pracht. Die Chornische ist ganz golden, auf der einzelne Gestalten stehn. Als ich in die Kirche eintrat, fiel das Licht der Morgensonne durch die Fenster des Chors, und die goldnen Wände leuchteten in doppelter Pracht auf. Der Raum zwischen den Rundbögen und den Rundfenstern des Mittelschiffs ist (wie in Mainz, wo man aber noch nicht ganz fertig ist) mit Freskobildern geschmückt. Es sind im Ganzen 24. Sie rühren alle von Johannes Schraudolph m her, der sie 1853 beendete. Sie sind edel in der Composition, frisch, wohlthuend in der Farbe und tragen sehr wesent­lich zu dem schönen Eindruck mit bei, den das Innere der Kirche aus­übt. Aehnlich reich geschmückt sind die Seitenkapellen; sie enthalten 8 große Compositionen.

Unmittelbar neben der Kirche, sich an die Nordseite des Längschiffes lehnend, befindet sich die alte St. Afra-Kapelle, aus der ersten Zeit der Gründung der Kirche. Heinrich IV vollendete den Bau der Kirche 1061, ebenso auch den Bau dieser Kapelle. An der Stelle wo jetzt der Altar steht, stand 5 Jahre lang die Leiche Heinrichs TV, die, weil der Bannfluch des Papstes auf ihm ruhte, in der Kirchengruft, in der Conrad II und Heinrich III bereits ruhten, nicht beigesetzt werden durfte. Erst nach fünf Jahren kam der Kaiser in seine Gruft.

Der Speirer Dom wurde gleich 1030 durch Conrad II als Kaisergruft gegründet. Und viele Kaiser haben hier ihre Ruhestätte gefunden. Zunächst alle Salier: Conrad II, Heinrich III, Heinrich IV, Heinrich V. Heinrich IV nahm den Bannfluch des Papstes, Heinrich V den Fluch seines Vaters mit ins Grab. Außer diesen 4 Saliern sind noch in Speier begraben: Philipp von Schwaben (der von der Hand Otto von Wittels­bachs fiel) Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassau und Albrecht von Oestreich. Adolf von Nassau fiel (bei Göllheim) von der Hand Albrechts von Oestreich und Albrecht von Oestreich fiel von der Hand des Johan­nes Parricida. Es knüpft sich ein gut Stück deutsche Geschichte an diese Kaisergräber: Hoheit und Erniedrigung, Bannfluch und Vaterfluch, und zwiefacher Mord. Der im Kampf gefallene Adolf von Nassau und der ermordete Albrecht von Oestreich erhielten ihre Ruhestätten dicht neben­einander.

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