Mainz. Doppelkirche, Doppel-Chor, Doppel-Hochaltar; in der Restauration begriffen und etwa 2 / 3 fertig, das älteste (wie es scheint) Chorstück (nach dem Rhein zu) noch nicht. Man kann nun recht den Unterschied sehn. Die Wirkung des Bunten ist ganz enorm. Man denkt „dies ist das goldene Mainz“. Alles was vorspringt: die großen Rundbögen an der Decke, die Gewölbe-Ribben, im fertigen hohen Chor auch der Untergrund der Kappen sind alle vergoldet. Die Kappen im Schiff sind blau mit viel grün und roth drin, aber absichtlich etwas stumpf in der Farbe. Reich an Altären, Kapellen, Standbildern von Bischöfen und Erzbischöfen, auch viel Roccoco-Geschmackloses. Der Eindruck des breiten Hauptschiffs sehr mächtig. Ueber den Rundbögen zwischen den hohen Pfeilern des Mittelschiffs sind prächtige Bilder auf Goldgrund in der Arbeit, die große Mehrzahl fertig; sieht auch schön und reich aus, die Farbengebung der Seitenschiffe ist verschieden und zwar Goldgrund in den Kappen, dagegen die Gewölbe-Ribben blau und die Rundbogen-Profile roth, natürlich auch alles wieder mit Gold ornamentirt.
Von Mainz nach Worms
Vorbei an Laubenheim, Bodenheim, Nackenheim, Nierstein, Oppenheim, (Judenkirchhof dicht an der Bahn) mal dicht am Rhein, mal weiter bis Worms. — Stadt doch sehr modern, jetziges und voriges Jahrhundert, aus Burgunden Zeit nichts, aus Mittelalter wenig, eben nur die Hülle des Doms und der Liebfrauenkirche. Die Franzosen unter Ludwig XIV und unter d. Republik alles zerstört. Dennoch jene Hülle eben sehr interessant. Das Innere dem Mainzer Dome sehr verwandt. Auch hier wird die Decke bunt ausgeführt und zwar außerordentlich fein und geschmackvoll.
Die breiten Gewölbe-Ribben sind braun mit wenig mattem Gold wenn überhaupt, die Kappen wie eine weiß gemusterte Karo-Tapete [dazu Skizze] M die Sternchen von Gold und ebenso die ganze Kappe von einer breiten goldnen Grec-Borte (oder doch sehr ähnlich) eingefaßt.
Anmerkungen
1 Hermann Fricke: Theodor Fontanes Rheinreise 1865. In: Deutsche Rundschau 77. Jg. H. 12. Ruhrverlag, Gelsenkirchen Dez. 1951.
2 Vgl. F.’s Briefe aus Aachen im April 1852. In: Theodor Fontanes Briefe« 1. Sammlung, I. Bd. Berlin. F. Fontane & Co. 1905 S. 1 ff. und: Theodor Fontane, Briefe. 2. Sammlung, I. Bd. Hrsg, von Otto Pniower und Paul Schlenther. Berlin 1910 S. 39 ff.
3 Karl Baedeker: Die Rheinlande von der Schweizer bis zur Holländischen Grenze. Handbuch für Reisende. 13. Aufl. Coblenz 1864. Es ist sehr wahrscheinlich, daß F. diese Auflage benutzte. Ein Vergleich der Texte spricht dafür.
4 Ph. M. Klein: Der Wanderer durch Köln. Eine geschichtliche Beschreibung der Stadt und sämtlicher Merkwürdigkeiten. Koeln, Greven 1863.
5 Vgl. F.’s Bemerkung zur Krypta der Kirche St. Maria im Capitol.
6 Hans-Heinrich Reuter: Fontane. Verlag der Nation, Berlin 1968.
7 Wilhelm Vogt: Theodor Fontane und die bildende Kunst. In: Theodor Fontane» Sämtliche Werke. Bd. XXIII/2. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1970«
8 F.’s Beurteilung der Baudenkmale s. auch Sonja Wüsten: Die historischen Denkmale im Schaffen Theodor Fontanes. In: Fontane-Blätter, Bd. 2, H. 3, 1970> S. 187-194.
246