Heft 
(1971) 12
Seite
252
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I. M. LANGE (Berlin)

Georg Heinrich von Berenhorst und Dietrich Heinrich von Bülow

Paralipomena zu FontanesSchach von Wuthenow

Während die bürgerliche Literaturgeschichte ihre Quellen zu Fontanes Novellen und Erzählungen aus dem Anekdotenschatz der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Skandale entnimmt, und das politische Fundament und damit auch die entscheidende Wendung Fontanes zum gesellschafts­kritischen Schriftsteller unterschlägt, war Georg Lukäcs mindestens der erste, der insbesondere für .Schach von Wuthenow 1 die politische Proble­matik der Novelle in den Vordergrund rückte. Das geschieht, indem Fontane dem Repräsentanten des Regiments Gens d'Armes Schach in dem um die Jahrhundertwende sehr bekannten Militärschriftsteller Dietrich Heinrich von Bülow eine konkret historische Figur gegenüber­überstellt. Auf den historischen Quellenschatz wurde bereits in der Promotionsschrift des Verfassers hingewiesen, der damals weder den gesamten Umfang der einschlägigen Literatur noch ihren Zusammenhang mit der Problematik Fontanes kannte. 1

Eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte Dietrich von Bülows ist der von Eduard von Bülow, dem durch seine Novellensammlung bekann­ten achtundvierziger Demokraten, herausgegebene Nachlaß Georg Heinricli von Berenhorsts, der 18451847 erschien 2 . Franz Mehring hat in seinen Arbeiten zur Kriegsgeschichte und Kriegstheorie wiederholt auf ihn hingewiesen. Sehr im Gegensatz zu dessen natürlichen Vater Leopold von Dessau, der bekanntlich als Schöpfer der preußischen, insbesondere der friderizianischen Armee gilt, zählt Mehring mit ,Kant, Fichte, Herder, Möser, Schlösser, Wilhelm von Humboldt 1 Berenhorst zu den großen Vertretern der Aufklärung, die gegen die stehenden Heere mit aller Leidenschaft kämpften. .Berenhorst, der damals berühmteste Militär­schriftsteller, ein Offizier des Alten Fritz und ein natürlicher Sohn des Alten Dessauer, war vielleicht der grimmigste Gegner der stehenden Heere, und gegen ihn namentlich richtete sich die Polemik Scharnhorsts

er sah ein, daß der Krieg doch etwas anderes sei als das blinde Würfelspiel, als das ihn Berenhorst brandmarkte. Freilich stehen sich hier zwei grundlegend verschiedene Positionen gegenüber: die radikal­utopische Verurteilung der Kabinettskriege gegenüber dem Versuch des großen Reformers Scharnhorst, ein Volksheer zu schaffen. Nie ist der Krieg grimmiger gegeißelt worden als von dem Verfasser der berühmten .Betrachtungen über die Kriegskunst. Den .Hauptgedanken seiner .Be­trachtungen formuliert Berenhorst folgendermaßen: ,Die Kriegskunst fordert einen weiten Umfang von Wissen und mehr angeborne Talente, als irgend eine der andern Künste und Wissenschaften, um eine Mechanik zu bilden und anzuwenden, die nicht, wie die eigentliche, auf unwandel­baren Gesetzen, sondern auf unbekannten, also auch unlenkbaren Modi­fikationen der Seele beruhet, und mit Hebeln und Winden arbeitet, die Willen und Gefühl haben. Sie hat durch Verhängnis der neueren Zeit