Heft 
(1971) 12
Seite
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Dietrich von Bülow war im Gegensatz zu Berenhorst weit in der Welt herumgekommen. 1790 kämpfte er mit den belgischen Insurgenten gegen die Oesterreicher; als er Friedrich Wilhelm von Steuben begegnete, wollte er versuchen, in den Vereinigten Staaten einen kleinen Handel zu beginnen, interessierte sich aber von Anfang an vor allem für die militärischen Vorgänge, deren Spuren sich in dem zitierten Briefe an Berenhorst über das Tiraillieren und die ,neue Taktik der Neueren', wie Bülow eine seiner ersten Schriften nannte, zeigen. Kurze Zeit darauf, steht in seinem Brief an Berenhorsts Freund, den späteren General­leutnant von Valentini, eine erstaunliche Nachricht: ,... Hier anbei er­halten Sie also für diesesmal blos ein Exemplar meiner alten Betrach­tungen, in welchen Sie Abteilung I. S. 24, die Stelle finden werden, welche Bülow vielleicht die erste Idee gegeben hat, den Geist des neueren Kriegssystems aus dem Grundsätze einer Basis der Operationen herzuleiten.

Die Nachricht, daß der arme Bülow nach Afrika gegangen sei, kommt mir glaublich genug vor. Die Gesellschaft zur Entdeckung des inneren Teiles von Afrika bezahlt ihre Abenteurer sehr gut, daher hauptsächlich dürftige Deutsche sich des Wagestückes unterziehen. Aber Bülow wird wohl Niemand wieder zu sehen bekommen; sein feuriger Geist und seine so lebhafte Einbildungskraft sind nicht dazu gemacht, eine dergleichen Unternehmung, zu welchen ein so hoher Grad von Resignation aller nur erdenklicher Art gehört, zu überstellen.' Zweifellos kam die Nachricht aus England, wohin sich Bülow 1801 zu neuen Plänen und Abenteuern gewandt hatte. Es gelang ihm aber nicht, auf den Spuren des großen Abenteurers Mungo Park in den Dienst der Britischen Gesellschaft zu treten, sondern er mußte, nachdem er seine letzten Habe an die Vor­bereitungen seiner Reise gewandt, eine Schuldhaft im Schuldgefängnis von Newgate abbüßen. Von dort soll es ihm gelungen sein, nach Paris zu entkommen. Erst 1805 suchte Bülow den älteren Berenhorst in Dessau persönlich auf.

An Valentini (8. Dezember 1805): ,Am 22. Oktober Vormittags erhielt ich aus dem Ringe einen Zettel, auf dem der Name Bülow stand. Sogleich ließ ich diesen Ankömmling zu mir holen. Wie lange werden Sie sich hier aufhalten? Bis Morgen zu Abgang der Berliner Post. Bleiben Sie doch ein paar Tage bei uns. Ich kann nicht, übermorgen muß ich wieder in Berlin sein. Der Abgang der Post verzögerte sich indeß so lange, daß er noch den ganzen 23. bei mir blieb. Ich fand ihn großenteils so, wie Sie ihn mir beschrieben haben, und hätte, ohne seinen Namen zu wissen, geraten: das ist Bülow. Er hat einige harmonisch gestimmte Saiten meines Gemüts berührt, dabei aber ein herzliches Mitleiden bei mir rege gemacht; denn das Drückende seiner Lage konnte er nicht verbergen und fiel oft, sich unbewußt, in tiefes Nachdenken; dann war w ruckweise auch wieder sehr munter. Seit dieser Zeit haben wir uns schon ein paar Male ziemlich lange Briefe geschrieben. Er schien mir offenherzig. Er sei ein Verehrer Jesu, sagte er mir, nach Swedenborgs System, in dem er auch genugsam eingeweiht ist.'

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