Heft 
(1971) 12
Seite
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Einschiffung nach Riga aufdrang, verbrannt. Er übergab es mit den Worten: dieses Schreiben an Napoleon über Politik und Staatsverwaltung ist das Beste, was ich in meinem Leben geschrieben habe.

Die preußische Regierung lieferte den begeisterten Anhänger Napoleons an ihre russischen Verbündeten aus. Berenhorsts Brief schließt: ,Auf dem russischen Schiffe ist es Bülow schlecht gegangen; da seine geringe Equipage aus Versehen zu Kolberg zurückgeblieben war, so hat er die ganze Seereise in leichtem Frack und Sommerkleidung machen müssen, ein Umstand, der wahrscheinlich zu seinem frühen Tod beigetragen. Er hätte sich ganz ungemein gut dazu geschickt, der Quintus Icilius eines zweiten Friedrich II. zu werden, eines Regenten, der, ohne helle Köpfe zu scheuen und zu fürchten, diesen hellen Köpfen die Freiheit ließe, ihre Zungen wenigstens bis zu einem gewissen Punkte zu gebrauchen. Mit etwa 1200 Taler Jahresgehalt und Tafel bei Hofe, welchen Platz in der Gesellschaft würde unser Dietrich (denn so hieß er: nicht Heinrich) von Bülow mit dem Witz, der Laune und den Kenntnissen, die ihm zu Gebote standen, nicht ausgefüllt haben! Beinahe den größten Teil seiner Immo­ralitäten muß man seinem widrigen Schicksale zuschreiben; Dürftigkeit bei Mangel an Hoffnungen und Aussichten, ist eine so gefährliche Lage, daß Niemand, der nicht selbst in einer ähnlichen gesteckt hat, weiß, wie tief sie leider auch das edelste Gemüt in den Kot zu drücken vermögend ist.

Fontane schildert in seinem ,Schach die Gesellschaft und ihre Figuren vom Ausgang der Katastrophe des preußischen Absolutismus. Auch die Oppositionellen gehören zur Gesellschaft und nicht zu den großen Revo­lutionären des preußischen Staates und seiner Armee, den preußischen Jakobinern, wie Lenin sie nannte. Daß Fontane Berenhorst, dessen Nach­laß 1845'47 erschien und eine weitgehende Übereinstimmung mit Bülows Meinungen durchblicken läßt, nicht kannte, ist sonderbar, da er immer­hin einige der wichtigsten Arbeiten Bülows (längst nicht alle) kannte, dazu leider auch die polemische Biographie Dietrich von Bülows von dem Pamphletisten Julius von Voß. Die Datierung des letzten Briefes an Sander (im Roman) beruht auf einer Hypothese des Voß. Die Wirklich­keit, wie sie Berenhorst schildert, war erschütternd. In den Akten des Geheimen Staatsarchivs heißt es: ,bei Beginn des Krieges nach Rußland abgeführt und zu Riga im Krongefängnis am 19. Juli 1807 gestorben. (Tschirch II, S. 381, Anm. 1, Geheimes Staatsarchiv Berlin, R 22, Nr. 30.)

Anmerkungen

1 1933/34 hatte Otto Tschirch, Schüler von Schmoller und MeineCke, das umfäng­liche Material des preußischen Geheimen Staatsarchivs für seine .Geschichte der öffentlichen Meinung in Preußen im Friedensjahrzehnt vom Baseler Frieden bis zum Zusammenbruch des Staates 1 auswerten können. Hier wird ein großer Teil der für die Herausbildung der Figuren der Opposition entscheidenden Probleme behandelt. (Es ist selbstverständlich, daß der heutige Leser dabei die Bedin­gungen eines Mitarbeiters des Staatsarchivs unter damaligen Umständen berück­sichtigen muß.) Neuerdings sind zu vergleichen die vorzüglichen Ausgaben des Romans von Pierre Paul Savage, Frankfurt/M.-Berlin 1966, und Gotthard Erlers in der Ausgabe des Aufbau-Verlages 1969.

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