Sonderstellung in dieser Untersuchung einehmen, denn so eng Fontane mit Morris geistig befreundet war, gesellschaftlich blieb Morris merkwürdig kühl 20 . Er gehörte eben nicht zur Gesellschaft, da er zu der Zeit verhältnismäßig arm war.
Vermögend dagegen war der Ingenieur William Whitaker Collins (1817?—1879), der die Berliner Wasserwerke anlegte. Diese Freundschaft scheint aber durch ein Mißverständnis zeitweilig gelitten zu haben 21 , und was die Gesellschaftskritik anbelangt, die Meinung Fontanes über die Engländer nicht gerade aufgewertet zu haben 22 . Die übrigen Engländer, die Fontane kannte, waren hauptsächlich Zeitungsleute, und es ist kaum zu glauben, daß sich Fontane dieser Freundschaften auf die Dauer erfreute, noch sich dies wünschen konnte. Wir denken dabei besonders an Mr. Clover, Chefredakteur der ,Morning Chronicle', den Fontane im Auftrag der preußischen Regierung vergeblich versucht hat, für diese Regierung zu gewinnen.
Bezeichnend aber ist, daß sich unter den Engländern, die Fontane sehr geschätzt hat, der Portier James Morris (1815?—1858) und seine Frau Martha befanden. Das Ehepaar arbeitete bei der Pharmaceutical Society of Great Britain in Boomsbury Square, wo auch ein deutscher Freund Fontanes, Julius Schweitzer, einige Zeit eine Stelle als Bibliothekarsassistent innehatte 23 . Über Mrs. Martha Morris lesen wir, daß sie nicht nur verschiedene Aufträge für Fontane ausführte, z. B. Stoff für Emilie besorgte, sondern Fontane auch bei der Anschaffung einer Wohnung behilflich war, — ja, sogar über die Miete verhandelte! 24 . Gerade im Brief vom 1. November 1856 an Emilie schreibt Fontane über seine Exclusion aus der Gesellschaft und die dadurch verursachte Einsamkeit: .Früher hatt ich nicht nur den Schweitzer (Julius), sondern auch den Wood und die liebe, gute Portierfamilie (die Morrisis); aber das ist nun alles vorbei, und so schrecklich wenig es war, so fehlt es einem doch, es waren doch — Menschen.* 25 .
Für einen Autor, der später im ,Stechlin* über England schreiben würde: ,Das Volk ist alles* 26 und der später in seinem bereits zitierten Brief vom 22. Februar 1896 an James Morris den vierten Stand über den Adel so stark loben würde, ist die Bemerkung über ,die liebe, gute Portierfamilie*: ,es waren doch Menschen* sehr bezeichnend. Denn gerade das Nicht-Menschsein-Wollen war das, was er bei der englischen Gesellschaft zu finden glaubt: ,... das zum Glücke fehlt — das Menschenherz und seine Liebe* 27 . Damit bringt Fontane einen Gedanken zum Ausdruck, der seine ganzen Werke beherrscht bis hin zum ,Stechlin‘, wo Woldemar über die Barbys sagt: ,... die waren nur Menschen, und daß sie nur das sein wollten, das war ihr Glück* 26 . Die Barbys waren, wie von Grum- bach im ,Stechlin* sagte, .beinah zwanzig Jahre in England... und halb englisch* 29 . Aber der Weg Fontanes bis zu dieser Erkenntnis ist lang und schwierig. Vor allem muß Fontane seine Meinung über den Engländer zurücknehmen und eben die andere Seite kennenlernen. Dies allerdings geschah erst während seines letzten und dritten Aufenthaltes in London, also relativ spät, als er die Merington-Familie traf.
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