gut“ 18 oder später: ,Jeden Vormittag giebt sie mir eine Stunde, dann lese ich meist eine Stunde aus Deinem Buch mit Margreth''* 0 .
Margreth war aber nicht das einzige Mitglied aus der jüngeren Mering- ton-Generation, mit dem die Fontanes ein geistiges Verhältnis genießen konnten. Eines der interessantesten Mitglieder der Familie war der Sohn, der in Indien als Magistrat*) diente und der zur Zeit des zweiten längeren Aufenthaltes von Emilie auf Urlaub war, es handelt sich um Charles Merington (1839—1918). Er soll sich seit dem ersten Besudi Emilies bei den Meringtons am meisten verändert haben, und er scheint gerne Emilie von Indien erzählt zu haben, entweder von dessen Volkskunde oder etwas ironisch vom europäischen Einfluß dort. So erzählte er z. B. Emilie, .welchen Eindruck die Missionare in Indien machten; zwei hatte er einmal bei sich zu Tische gehabt, die vier Inder, seine Diener, die die Bedienung gemacht hätten, hätten die Erscheinung von Fürsten gehabt, die sich herabließen, kleine, unbedeutende Wesen zu beglücken; für Dich [schreibt Emilie weiter an ihren Mann] wäre dies Gespräch sehr interessant gewesen* 50 .
Besonders reizvoll äußerte er sich über das gesellschaftliche Problem, ob ein Inder, der in englischer Kleidung einen Gerichtssaal betreten wollte, seine Schuhe ausziehen muß, worüber Merington um seine Stellungnahme gebeten wurde: .Warum sollen seine Füße [die eines Inders] unter englischem Gesetz, sein Kopf aber unter Eingeborenengesetz stehen?* 51 .
Emilie teilte ihrem Mann ferner einen Charakterzug Charles Meringtons mit, der sicher von Fontane besonders geschätzt sein wird: ,... er steht doch am meisten über dem englischen humbug u. lacht und ridiculed Dinge, die die anderen für sacred [heilig] halten* 52 . Er bespottet z. B. eine Familie, bei der Emilie und die Meringtons zu Gast waren, da sie ,ihr Glück... in ,soap boiling* [Seifensieden] gemacht haben, jetzt sich zurückzogen, um im großen Stil zu leben; der älteste Sohn kocht weiter u. die vier anderen haben auch soviel, um angenehm zu leben. Warum haben wir nicht Seife gekocht? Jetzt ist es zu spät* 5 '*. Gerade dieser Zug, die Gesellschaft zu ironisieren, ein Zug, den Fontane selbst in seinem Werk so treffend dichterisch zum Ausdruck brachte, deutet auf eine gewisse geistige Verwandtschaft zwischen Fontane und den Meringtons hin. Auf jeden Fall läßt sich Fontane in seinem nächsten Brief ,dem Magistrate* aus dem Orient von irgendeinem Indus- oder Ganges-Ufer* 54 besonders empfehlen.
Vor allem aber, was das geistige Verhältnis zwischen Fontane und den Meringtons anbelangt, scheint die Erkenntnis, die Mrs. Merington von der dichterischen Natur Fontanes besaß, am bezeichnendsten gewesen zu sein. Dies bestätigt Fontane in einem Brief vom 29. Januar 1878 an Mathilde von Rohr, wo er sich über das Verhältnis zu seinem Leserpublikum auf der einen Seite und anderseits über ,die praktische Frage,
*) Den Titel .Magistrat* führten Richter und zugleich Vertreter der Kolonialverwaltung in einem bestimmten Regierungsbezirk Indiens.
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