Heft 
(1971) 12
Seite
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Großartigkeit alles dessen was ich sah, drang auch in mein kleines Herz und Sorge u. Bangigkeit verschwanden und machten der Bewunderung, der Freude, Platz 1 ' 0 . Aber ein gewisses Pathos bleibt erhalten; Emilie schreibt weiter: ,Wir fuhren erst mit der unterirdischen Eisenbahn, da lagen Deine Worte noch schwer wie Blei in meinem Geist u. auf meinen Augen, aber sobald ich auf dem Wasser war, konnte ich wieder frei atmen. Der Anblick von Westminster erfüllt mich immer wieder mit einem körperlichen Wohlbefinden* 71 . Dies war der beste Trost, den Fontane hätte erwarten können: ,Endlich ein Brief, der eine andre Stim­mung zeigt und der mich sehr glücklich gemacht hat 172 , antwortete Fon­tane seiner Frau am 28. Mai. Die Krise zwischen den beiden war fast vorbei. Fontane konnte den ersten Schritt seines Überganges zu einem freieren Leben mit der Bedeutung, die dies für seine Dichtung haben würde, mit neuem Mut vollziehen. Die Unterstützung seiner Frau hatte er nun wieder.

Aber, daß er sie wieder hat, ist scheinbar zum größten Teil dem Beistand, den die Meringtons Emilie gaben, zu verdanken. Sie ermöglichten ihr, Abstand von ihren Sorgen zu gewinnen, und vielleicht half auch besonders Mrs. Merington durch ihr Verständnis der künstlerischen Natur Fontanes Emilie, sich über den Schock hinwegzusetzen. Hermann Fricke hat mit Recht in dieser Angelegenheit von der Einschaltung der M[eringtons] zur liberation Fontanes 1 ' 3 gesprochen.

Damit glauben wir die direkte Bedeutung der Freundschaft von Fontane mit der Merington-Familie für den Dichter gezeigt zu haben. Die Mering­tons sind aber als Familie auch interessant wegen ihrer Beziehungen zur Sozialreform. Von den neuen und emanzipatorischen Eigenschaften der von Mrs. Merington verbreiteten Unterrichtsmethode ihres Vaters und von den Wohltätigkeiten Martha Meringtons haben wir bereits gesprochen. Hinzu kommt die Tatsache, daß eine andere Merington-Tochter, Emily, zu der sich die kleine Meta Fontane schon damals so hingezogen fühlte 7 ', sich sehr für die Emanzipation der Frauen (Frauenrechte) eingesetzt haben soll.

Emilie Fontane selbst erzählt in einem Brief vom 27. April 1870 über eine Diskussion an einem Gesellschaftsabend bei den Meringtons über Erauenemanzipation bzw. über das Stimmrecht für Frauen, eine Idee, für die sich weder Emilie noch Theodor Fontane noch einer der Mering- ton-Söhne recht begeistern konnten. Nur waren oft die Frauen, die bereit waren, um ihre politischen Rechte zu kämpfen 75 , gerade diejenigen, die sich für die Sozialreform interessierten. Wenigstens ist dies in England der Fall, wie z. B. bei Florence Nightingale (18201910), sowie bei vielen anderen. In der Merington-Familie scheinen die Frauen ebenfalls gegen­über verschiedenen Aspekten der Sozialreform aufgeschlossen gewesen zu sein, was wiederum auf ihre grundsätzliche Menschlichkeit hinzu­weisen scheint. Denn um die Menschlichkeit dieser Familie scheint es sich immer zu handeln, besonders gegenüber den Fontanes.

Es ist aber eine Menschlichkeit, die auf Gegensätzen beruht; eine Familie, die zwischen dem Alten und dem Neuen steht, verarmter Adel, der fähig

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