Heft 
(1971) 12
Seite
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war, sein eigenes Brot ehrlich zu verdienen und ohne Privilegien Richard Whiskin Merington hat weder Public School 71 noch Universität besucht sich wieder einigermaßen hochgearbeitet hat. Gleichzeitig war es trotz alledem eine Familie, die zur Gesellschaft gehörte, aber auch der Kunst und der Sozialreform aufgeschlossen war und dessen Mitglieder buchstäblich für die Armen arbeiteten, sei es, um die her­kömmliche Unterrichtsmethodik zu verbessern und zu vermenschlichen oder Armenanstalten zu leiten. Anderseits haben wir im Sohn der Meringtons, Charles, ein Magistrat im Dienste seiner Königin in Indien, der sich nicht scheute, verschiedene Aspekte der englischen Präsenz zu bespotten, als auch den Bourgeois in seinem eigenen Lande zu satiri- sieren, den ,englischen Humbug 1 ins Lächerliche zu ziehen. Uber allem herrscht eine Atmosphäre der Menschlichkeit, des bloß Menschlichsein- Wollens, das aber keine Vollkommenheit aufzuweisen vermag.

Die Meringtons waren aber auch manchmal unrealistisch, z. B. als sie den Plan Fontanes, Pensionäre aufzunehmen, weder begreifen noch zu­nächst unterstützen wollten: sie fanden die Angelegenheit sogar peinlich. So bedenklich wir das vielleicht heute finden würden, war das Resultat typisch meringtonisch. Sie halfen Emilie trotzdem bei ihren Erkundi­gungen nach möglichen Pensionären, und als dies vergebens auszugehen drohte, schickten sie ihre eigene Tochter Martha zu den Fontanes! Sicherlich war dies die beste Lösung dieses Problems, eine Lösung, die die Freundschaft zwischen den beiden Familien noch enger werden ließ und wiederum auf die Menschlichkeit der Gegensätze bei der Merington- Familie verweist.

Hier beobachten wir eine Menschlichkeit bei den Meringtons. die als Familien-Strukturmerkmal in sehr enger Verwandtschaft zur Mensch­lichkeit zu stehen scheint, die Fontane in seinem Werk entweder durch das Nicht-Vorhandensein, wie z. B. in der Kessiner Welt von ,Effi Briest oder durch das Vorhandensein in den Gesellschaftswelten der Familie Barby oder Dubslavs in ,Der Stechlin, zum Thema macht. Wichtiger aber scheint uns die Tatsache, daß die Meringtons mit ihrer Menschlich­keit Fontane ein positives Bild Englands bzw. einer Familie aus der eng­lischen Gesellschaft vermittelt haben. Sie zeigten ihm, daß wenigstens bei ihnen die Anschuldigungen von Mammonismus, Dünkel und Schein­heiligkeit, die Fontane der englischen Gesellschaft vorgeworfen hat, nicht zutrafen. Und um dieses nochmals zu wiederholen sie waren Mit­glieder derselben Gesellschaftsschicht.

Ob allerdings dabei die Meringtons in ihrer Menschlichkeit als stellver­tretend für die ganze englische Gesellschaft gelten können, ist eine andere Frage. Sicher ist aber, daß sie als stellvertretend für die Mitglieder dieser Gesellschaftsschicht gelten können, die der Sozialreform dienten, mitunter indem sie manchmal selber in Opposition zur selben Gesellschaft standen. Nun kehren wir zurück zu unserer Einleitungsfrage: wie ist Fontanes Gesinnungswandel gegenüber England zu erklären? Wir haben fest­gestellt, daß die vehemente Kritik, die Fontane gegen die englische Gesellschaft schrieb, manchmal aus Übersetzungen der Times bestand