sowjetischen Kommandanten des Provinzialgutes „Rotes Luch“ bei Müncheberg (Mark) Fontane-Handschriften geborgen hatte. Diese Tatsache war bisher im Fontane-Archiv unbekannt.
Auf Anordnung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen wurde daraufhin ein „Arbeitskreis zur Erforschung der Geschichte des Fontane- Archivs von 1943 bis 1948“ gebildet, der unter der Leitung von Dr. Heino Brandes stand und dem auch Frau Luise Röbel angehörte. Im Arbeitsprogramm des Arbeitskreises war auch die Befragung ehemaliger Mitarbeiter des Fontane-Archivs vorgesehen, die bereitwillig Auskunft gaben. Daraus ergibt sich bis 1945 folgendes Bild: Das Archiv war bis 1943 in Panzerschränken im Kellergang des Hauses der Kulturabteilung in der „Alten Zauche“ in Potsdam untergebracht. Die Handschriften, die schon vorher einmal in ein Salzbergwerk im Harz gebracht werden sollten, sind dann in das „Rote Luch“ ausgelagert worden, während die Abschriften in Potsdam verblieben. In seinem Bericht „Das Theodor-Fontane- Archiv. Einst und jetzt“ schreibt Fricke: „Trotz dringenden Abratens durch den Verfasser wurde das Archiv zu einer Zeit, da z. B. das Staatsarchiv seine Bestände aus dem unsicher gewordenen Bergungsraum im Osten zurückholte, von sachunkundiger Hand in schnell und systemlos gefüllten Kisten in das Brandenburgische Arbeiterwandererheim ,Rotes Luch‘ bei Müncheberg verlagert.“
Frau Luise Röbel gab vor dem Arbeitskreis folgenden Bericht, der zu Protokoll genommen wurde und aus dem wir auszugsweise berichten: Eines Tages, Anfang Juni 1945 mag es gewesen sein, ging ich über den Vorplatz des Gutes ,Rotes Luch“ und sah, daß man dabei war, einen kellerartigen Raum aufzuräumen... Mir fiel auf, daß eine Frau aus den aufgeladenen Sachen etwas herausholte und sich um den Kopf band. Ich... stellte zu meinem größten Erstaunen fest, daß es eine Kranzschleife war mit der Aufschrift ,Unserem Theodor Fontane...‘ Nach längerem Hin und Her gab sie mir die Kranzschleife im Tausch gegen mein Kopftuch zurück. [Ich] entdeckte unter Zeitungsbündeln und politischen Schriften auch handschriftliche Manuskripte, die ich an mich nahm. Mir war klar, daß das nicht die einzigen sein konnten und versuchte in dem Raum... nach weiteren Schriftstücken zu suchen. Man verstand aber mein Bemühen falsch ... und ließ mich an die Sachen nicht heran. Man alarmierte den Kommandanten der sowjetischen Einheit, und er stellte mich zur Rede ... Mit Hilfe einer dolmetschenden Flüchtlingsfrau gelang es mir, ihm klar zu machen, daß man dabei sei, bei den Aufräumungsarbeiten aus Unkenntnis unersetzliche kulturelle Werte zu vernichten. Daraufhin bekam ich die Erlaubnis, alles in dem Raum Befindliche durchzusehen und sicher zu stellen, was mir als wertvoll erschien. Ich versprach dem Kommandanten, mich dabei auf Handschriften zu beschränken.
°ie geretteten Sachen brachte ich im Büro unter. Nachher entdeckte ich noch ein Zimmer, vollgestopft mit Dingen, die nur aus einem Archiv oder einem Museum stammen konnten. In dem Raum war offensichtlich schon nach brauchbaren Gegenständen gesucht worden. Da dort schon ziemliches Durcheinander herrschte, bat ich den Kommandanten,
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