Heft 
(1971) 12
Seite
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liegt. Trotz des Hinweises des Fontane-Archivs und eines Potsdamer Angebots (das Fontane-Archiv hatte in den letzten Jahren bereits 83 handschriftliche Seiten des ManuskriptesDas Ländchen Friesack aus West-Berlin zurückerworben) bestand der Einlieferer nach Auskunft der Auktionsfirma auf Versteigerung. Doch diesmal nahm die Angelegenheit einen anderen Verlauf. Am 28. April 1970 erschien ein größerer Bericht im West-BerlinerTagesspiegel von Sibylle Wirsing unter dem Titel .Allerlei Menschlichkeit. Anmerkungen zu einer Berliner Autographen- Auktion. Im Abschnitt 2 schrieb Frau Wirsing:

Das Dokument einer Misere: 13 Folio-Seiten aus Theodor Fontanes einst wohlgehütetem Nachlaß. Bei der unrühmlichen Versteigerung des Hauses Hellmut Meyer und Ernst im Oktober 1933 ließ der jüngste Fontanesohn das väterliche Erbe zerschlagen. [Anmerkung: Das Fontane-Archiv kann sich dieser Kritik an Friedrich Fontane nicht anschließen und machte Sibylle Wirsing auf Friedrich Fontanes Flugblatt, Pfingsten 1935, ,Wes­halb der Nachlaß nicht erworben wurde? (zitiert bei Schobeß, S. 733) aufmerksam.] Zu den Konvoluten, die damals das Glück hatten, liegen zu bleiben und in der Folge in einem neu gegründeten Theodor-Fontane- Archiv der Berliner Provinzialverwaltung zusammengefaßt zu werden, gehörte, 700seitig, bei der Auktion von 1933 auf 1 600, Mark geschätzt und für das Untergebot von 750, Mark nicht feil, Fontanes Vorarbeit zu einem unvollendet gebliebenen Wanderungskapitel ,Das Ländchen Friesack. Diesem Manuskript, das heute von Rechts wegen im Potsdamer Archiv liegen müßte, ist die Auslagerung während des Krieges zum Verhängnis geworden. Es wurde gestohlen und in alle Winde zerstreut. Teile davon befinden sich inzwischen in Marbach, hierorts in der Gedenk­bibliothek und im Landesarchiv. Nun bot Bassenge für den Schätzpreis von DM 6 000, 13 Seiten des ,Friesack-Paketes an, und zwar einen Abschnitt, der sich mit den Kleeßener Bredows befaßt... Die Blätter sind für DM 5 000, an einen Privatsammler nach Amerika gegangen. Und wir fragen uns betroffen, ob eine solche Abwanderung zur Zeit der hiesigen Fontane-Renaissance wirklich hat sein müssen.

Es ist das erste Mal, daß nach den Hinweisen auf dasDiebesgut durch Prof. Dr. Kurt Schreinert eine westdeutsche Journalistin ihrem Gewis­sen folgend den Finger auf die Wunde legte und in aller Öffentlichkeit darauf aufmerksam machte, daß hier gestohlene Fontane-Handschriften zur profitbringenden Ware degradiert werden und der Forschung durch Weitere Zersplitterung unendlicher Schaden zugefügt wird.

Dieser Artikel blieb nicht ohne Wirkung, denn die Firma Bassenge wies den amerikanischen Käufer auf den Sachverhalt und auf den Artikel hin. Mit Schreiben vom 13. Mai 1970 teilte dann die Firma dem Fontane- Archiv mit, daß sie sich noch einmal an den amerikanischen Sammler gewandt habe, der bereit wäre, vom Kauf zurückzutreten, wenn dieses Manuskript dadurch tatsächlich dem Fontane-Archiv wieder zugeführt 'Verden könne. Diese Handlungsweise ist zu würdigen und anzuerkennen. Bedauerlich ist es, daß Einlieferer von gestohlenen Fontane-Handschriften, auch wenn sie diese im guten Glauben einst gekauft haben, nachdem das

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