die Shakespeare-Bezüge in den Werken Fontanes mit diesen Kritiken zu vergleichen. Wie tief Shakespeare dem Dichter vertraut war, das zeigen seine Werke und seine Briefe auf Schritt und Tritt (der Nachlaß- Fund einer Hamlet-Ubertragung Fontanes — erst 1966 vom Aufbau-Verlag veröffentlicht — ist ein weiteres Zeugnis für Fontanes Shakespeare- Verehrung). In einem späten Brief an Morris, Fontanes Londoner Freund, zählt Fontane Shakespeare zu den drei „Weltgrößen“, die dieses Jahrtausend hervorgebracht habe, Goethe ist nicht darunter. Die englischen Jahre, die für Fontanes Weg zum „Eigentlichen“, zu den Schöpfungen des Spätwerks, so wichtig waren, hatten nicht nur Fontanes Blick für das Gegenwärtige geschärft, sie hatten ihn auch in der Kunst weitergebracht. Ein Stück dieser Kunst ist mit dem Namen Shakespeare verknüpft.
Fontane übernahm die Arbeit der Theaterkritik in einer bewegten Zeit, zu Beginn des deutsch-französischen Krieges. Der Hintergrund des Krieges ist in den ersten Besprechungen spürbar. Die theatralische Widerspiegelung der Sieger-Pose nach dem gewonnenen Kriege ist Fontane zuwider. Man erhält einen Begriff von der Arbeit, die der Herausgeber zu leisten hatte, wenn man berücksichtigt, daß in den zwei Jahrzehnten Kritikertätigkeit Fontane es mit nicht weniger als fünfhundert Titeln der dramatischen Literatur (Einakter eingerechnet) zu tun bekommt. Viele Stücke, vor allem die der Klassiker, finden sich hier in mehreren Einstudierungen, und Fontane nutzt seine wachsende Erfahrung zum kritischen Vergleich. Die kommentierenden Anmerkungen des Herausgebers sind gerade in diesem Falle außerordentlich hilfreich. Fontane zeigt sich auch hier als der Meister des Zitats und der Anspielung, und Vieles, was dem gebildeten Zeitungsleser von 1870 und 1890 noch vertraut war, ist längst abgesunken zum Gegenstand des Spezialisten. Im Verdeutschen der Fremdworte mag der Herausgeber etwas weit gegangen sein, indessen kann in einem Kommentar nur ein Zuwenig kaum ein Zuviel schaden. Zwei Kleinigkeiten, die das Technische betreifen, wünschte man sich vielleicht anders: Im Kommentar sind die Aufführungen nicht im Druck voneinander abgehoben. Das erschwert die Orientierung etwas. Umständlich ist es außerdem, daß man die Fundstelle einer Personalauskunft, die begreiflicherweise nur einmal im Kommentar gegeben wird, jedesmal auf dem Umweg über das Register suchen muß. Das wiegt indessen weniger a ls gering gegenüber der großen gelehrten Leistung, die der Herausgeber vollbracht hat und man spürt allenthalben, daß Liebe zur Sache die Edition begleitet hat: „Es war eine schöne Aufgabe, diesen Schatz für die Nymphenburger Aufgabe zu heben“, schreibt Edgar Groß im Nachwort. Professor Dr. Gerd Wolandt
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