verschollenen Werke ist der Name des Dichters nicht zu finden. Wohl aber besaß Fontane die 1848 postum erschienene Ausgabe der „Neuen Gedichte“ des Grafen von Strachwitz, der ein Gegner Herweghs war. Dem Literaturwissenschaftler und dem Fontanefreund ist bekannt, daß besonders die Balladen des jungen Grafen das Schaffen Fontanes beeinflußt haben. Seine berühmte, in Chevy-Chase-Strophen geschriebene Ballade „Archibald Douglas“ geht z. B. stofflich auf eine Ballade des Grafen zurück, sie allerdings weit überragend.
Während wir der Wandlung des jungen Fontane von Herweghbegeisterung zur Vorliebe für die Dichtung des antirevolutionären Strachwitz nachsinnen, gerät uns ein anderes Lyrikbändchen aus des Dichters Bücherschrank in die Hand. Wir schlagen es auf und lesen: Bernhard von Lepel, Gedichte, Berlin Hertz 1866, und die eigenhändige Widmung des Verfassers „An meinen alten lieben Freund Th. Fontane“. Lepel, ein langjähriger Freund Fontanes, ist uns aus des Dichters Briefwechsel gut bekannt. Der Platenschüler Bernhard von Lepel war es auch, der den jungen Fontane im Jahre 1844 in die Berliner literarische Gesellschaft „Tunnel über der Spree“ einführte. Diese Vereinigung, die ja bis gegen Ende des Jahrhunderts bestand, zählte Fontane, Storm und Paul Heyse zu ihren bedeutendsten Mitgliedern. Dem „Tunnel“ angegliedert waren der „Ellorakreis“ und das „Rhythly“. Die von der „Ellora-Mutter“ Emilie Fontane gestickte Ellora-Fahne befindet sich im Fontane-Archiv. Dieser ganze Kreis mutet heute etwas verstaubt an. Auf Fontane vermochte er erst nach der Revolution von 1848 einzuwirken.
Der „Tunnel“ war konservativ eingestellt. Mit der Lyrik des Grafen Strachwitz hatte er seine erste Blüte erlebt. Aber auch die 1850 veröffentlichten acht Preußenlieder Fontanes mit dem Titel „Männer und Helden“ trafen den Tunnelgeschmack. Wir greifen das Exemplar aus dem Bücherschrank, ein schmales, nur vierzig Seiten fassendes Bändchen mit des Dichters eigenhändiger Eintragung: „Exemplar aus dem Nachlaß meines Papas“. 1854 gab Fontane zusammen mit dem Historiker und Kunstwissenschaftler Franz Kugler das belletristische Jahrbuch „Argo“ heraus. Wir finden den ersten Jahrgang des „Argo“ mit zahlreichen Erstveröffentlichungen Fontanes in seiner Bücherei sowie die von Franz Kugler, Friedrich Eggers, Bernhard von Lepel und weiteren Tunnelmit- gliedem herausgegebenen Fortsetzungen des Jahrbuches. Zu diesem Freundeskreis, der sich nach dem Jahrbuch scherzhaft Argonauten nannte, gehörten auch die Maler Adolph von Menzel, August von Heyden und Freiherr von Blomberg. Kugler, der schon 1858 starb, hatte die berühmt gewordenen, verherrlichende „Geschichte Friedrichs des Großen“ geschrieben und Menzel die Illustrationen dazu geschaffen. Franz Kuglers Bild, von Adolph von Menzel stammend, hängt heute noch über dem Bücherschrank Fontanes und trägt die handschriftliche Widmung: „Seinem geliebten Freunde Theodor Fontane. Berlin, 5. September 1855“. Alle diese Zusammenhänge werden bei der Durchsicht der Bibliothek wieder klar. Der Ausgang der Revolution von 1848 und die Zukunfts- losigkeit der reaktionären preußischen Politik verleiteten einen Teil der
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