bürgerlichen Intellektuellen dazu, sich der, wie sie meinten, ruhmreichen, besseren preußischen Vergangenheit zuzuwenden. Auch Theodor Fontane, der sehr richtig den Staat Friedrich Wilhelms IV. als einen Polizeistaat betrachtete, erblickte eine Zeit lang im friderizianischen Preußen ein positives Vorbild. Erst Ende der 70er Jahre — die von Bismarck verfolgte Sozialdemokratie zeigte dem deutschen Volk eine echte Perspektive — wandte er sich von diesem Standpunkt ab. In dem Maße, wie er in seinen gesellschaftskritischen Romanen „Schach von Wuthenow“ (1883), „Irrungen, Wirrungen“ (1888), „Stine“ (1890), „Frau Jenny Treibei“ (1892), „Eflü Briest“ (1895) und „Stechlin“ (1899) den Niedergang des Adels und den Zerfall der Bourgeoisie als allgemeingültig schilderte, wuchs er über den Provinzialismus seiner Freunde hinaus.
Mit dem Tunnelmitglied Paul Heyse war Theodor Fontane besonders eng befreundet und er stand bis zum Tode in Briefwechsel mit ihm.
Seine Werke bilden die umfangreichste Gruppe in der Bibliothek. Wir
zählen zwanzig verschiedene Bände und fast in jedem sehen wir Marginalien und Unterstreichungen Fontanes, die allerdings wohl mehr Dokumente der Freundestreue, weniger solche der Wertschätzung für den Dichter sind. Heyses Tendenz zur „schönen“ Idealisierung hat dem Skeptiker Fontane kaum behagt. Im Oktober 1882 schrieb er z. B. an Otto Brahm über Heyse: „Wär’ ich der jüngere, könnt’ ich, ihn überlebend, in die Lage kommen, über ihn zu schreiben, ich würd’ ihn in
meinem Essay sehr hoch und sehr tief stellen und das Verkehrte und
schließlich doch auch sehr Unkonsequente seiner Lebensanschauung und seines Liebeskatechismus zu beweisen suchen. Heyse, den ich sehr liebe, weiß auch, daß ich so über ihn denke.“
In dem Heyse-Band „Ludwig der Baier“, Schauspiel in fünf Akten, finden wir übrigens die originelle Widmung: „Seinem lieben Nöhl zum 30. Dec. 1868...“ Nöhl war der Spitzname Fontanes. Der Berliner gebraucht das Wort „nölen“ für langsam sein.
Nächst den Werken Heyses beanspruchen die historischen Romane von Willibald Alexis den größten Platz im Bücherschrank Fontanes. Alexis — eigentlich ja Haering und ursprünglich französisch Hareng — war wie Fontane französischer Abstammung. Mit ihm verband Fontane das gemeinsame Vorbild Walter Scott. Unterstreichungen und Randbemerkungen künden davon, daß Fontane die Werke von Alexis für eigene Arbeiten benutzte. Seinen Stil bezeichnete er als „die schwächste Seite“, doch „märkisch“ gesehen, nannte er ihn „eine ganz große Nummer“. Von Fontanes Walter-Scott-Nachfolge kündete übrigens auch die Walter - Seott-Medaille am großen Bücherschrank seines Arbeitszimmers. Sie befindet sich heute im Fontane-Archiv.
Mit seinem ersten großen 1878 herausgekommenen Roman „Vor dem Sturm“, der die Geschehnisse aus dem Winter 1812/13 behandelt, setzt Fontane den von Alexis begründeten brandenburgisch-preußischen Geschichtsroman fort. Allerdings sprengt die Schilderung der märkischen Junker und Bauern in ihrem eng geschlossenen Kreis den rein histo-
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