und er abeitet liebevoll und sorglich wie ein Dichter und Künstler arbeiten soll. Deshalb hielt ich es für meine Pflicht, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Im Übrigen falle der Würfel wie er fallen muß.“ 10
Hertz wird Seidel aus oben genannten Gründen abschlägig beschieden haben. Felix Liebeskind in Leipzig wurde sein Verleger. Als 1882 dort „Jorinde und andere Geschichten“ erschienen, hatte das Verlagshaus auch die Rechte an allen bisher erschienenen Büchern Seidels übernommen. 17 Auf Fontanes Vermittlung bei Hertz geht indirekt Fontanes Brief vom 28. Juni 1882 ein.
In Zukunft rezensierte Fontane Seidels Arbeiten nicht mehr. Seidel dedizierte ihm zwar weiterhin seine Neuerscheinungen. Fontane jedoch bedankte sich nur artig und manchmal nicht ganz ehrlich wie im Falle „Von Perlin nach Berlin“. Seine Grundeinstellung zu dem jüngeren Kollegen änderte sich nicht mehr: Hochachtung für den Schriftsteller, Distanz gegenüber dem Menschen. Friedlaender äußerte er sich darin sehr offen; am 2. Juli 1890: „Heinrich Seidel. Es ist ganz recht, daß er jeanpaulisiert, aber während er lange kein Jean Paul ist, ist er diesem doch an Form und Geschmack sehr überlegen. Auf seinem engen kleinen Gebiet ist er eine Nummer eins. Einzelnes (z. B. die kl. Geschichte von Lebredit Hühnchen) ist meisterhaft. Man kann ihn aber nur genießen wie Confekt, in Kosthäppchen; er ist ohne rechte Kraft und sehr begrenzt, wiewohl persönlich ein kluger und sehr unterrichteter Herr.“ 18
Die mit fortschreitendem Alter immer stärker werdende Neigung Fontanes, pauschal und undifferenziert zu urteilen, trifft auch Heinrich Seidel, den Mecklenburger; am 8. Januar 1895: „Seidel ist ein sehr guter Schriftsteller und ich möchte Ihnen fast zustimmen — fast, nicht ganz — wenn Sie Leberecht Hühnchen über Onkel Bräsig stellen. Dieser ist schließlich doch gesunder und dauerhafter. Indessen wie immer dem sei, Seidel ist ein trefflicher Dichter in Vers und Prosa, nur leider eine ziemlich lederne Figur. Ich kenne ihn seit etwa 30 Jahren und kann nicht über ihn klagen, aber noch weniger kann ich mich menschlich für ihn erwärmen. Alle 3 Monate treffe ich ihn im Thiergarten, dann bleiben wir zwei Minuten stehn und führen eine Zwangsunterhaltung, deren Resultat ist, daß ich nachher immer noch etwas weiter von ihm abstehe, als vorher. Ein merkwürdiges Geschlecht diese Mecklenburger. Alle begabt, aber doch meist nur Mittelsorte, und trotzdem alle von dem Glauben durchdrungen, daß es mit ihnen was Besondres sei. Mich hat das immer schon geärgert, ich nahm’s früher aber hin; jetzt, in meinen ganz alten Tagen, zeige ich ziemlich deutlich, daß ich’s lächerlich finde. Dabei sind sie alle langweilig. Das nennen sie dann Humor, wenn sie plötzlich, mit einem ziemlich unverschämten Gesicht, aus ihrem Mustopf herauskucken. Die Berliner, die so verschrien sind, sind harmlose, liebenswürdige Menschen, gute Kameraden, im Verhältniß zu so vielen Provinzialen. Die Nettesten, unter allen Stämmen, sind die Schlesier und die Baiern.“ 19 Und am 19. März 1895 zur Autobiographie „Von Perlin nach Berlin“: „Das Buch ist wieder sehr gut und hat mich unterhalten und erheitert. Trotzdem kann ich es, all diesen Menschen und all diesen Büchern gegen-