Heft 
(1973) 16
Seite
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daß die Schriftstellerzu nicht unerheblichem Teil selbst an ihrem Unglück schuld sind, und beginnt seine Darlegungen mit den Worten: Ich gehe dabei von einem Satz aus, den vielleicht manche bestreiten, [dem] andre dagegen und ich glaube eine Majorität zustimmen werden. Dieser Satz lautet: Alle bildenden Künstler und alle Musiker werden, aufs ganze hin angesehn, viel, viel besser behandelt als die Dichter und Schriftsteller 6 . Allerdings nennt er in den Aufzeichnungen

im Gegensatz zu seiner Argumentation im Brief an Mauthner keine Namen von bildenden Künstlern.

Alsdann verrät uns Fontane in seinem Begleitbrief an den Herausgeber die Gründe, die ihn bewogen haben, den Aufsatz unvollendet zu lassen. Einesteils empfand er, es seischwer,die Sache so recht schlagend vor aller Welt zu beweisen, nämlich daß Dichter und Schriftsteller von der Gesellschaft bei weitem weniger geachtet werden als Maler und Bildhauer. Es gibt, so scheint es wenigstens Fontane, auch Gegenbeispiele. Unter ihnen nennt er z. B. den Schriftsteller und Diplomaten Rudolf Lindau, von dem es allerdings im Aufsatz heißt, daß er seine gesell­schaftliche Stellung nicht seinem literarischen Schaffen, sondern seiner Stellung im Staat verdanke 7 . In dem Brief an Mauthner werden dann als vermeintliche Gegenbeispiele u. a. drei Namen erwähnt, die wir auch in dem Ende 1891 oder später entstandenen EntwurfDichteraspira­tionen wiederfinden: Geibel, Heyse und Hugo Lubliner. Hier im Brief scheint es so, als messe Fontane dem Adelsprädikat, das Geibel und Heyse erhielten, oder der Unterredung mit dem Kaiser (Wilhelm II.), zu der Hugo Lubliner in die Hofloge gerufen wurde, nennenswerte Bedeu­tung bei. In denDichteraspirationen dagegen zählt er sie zwar zu denen, diemit dem König gehn, stellt aber dann fest:Es kommt vor, daß ,der Dichter mit dem König geht. Du lieber Gott, was kommt nicht alles vor. Aber die Regel ist, daß er nicht mit dem König, sondern mit dem Eexekutor geht 8 .

Doch welches Gewicht solche Gegenbeispiele auch immer besitzen mögen, sie ließen Fontane zumindest auf die Realisierung seines ursprünglichen Gedankens verzichten, da sie die Beweisführung erschwerten. Fontane will keinesfalls denEmpfindlichen spielen und nicht etwa unberechtigt Klage führen.

Außerdem aber hält er sich selbst nicht für befugt, sich über mangelnde Anerkennung zu beschweren, weil wie er gegenüber Mauthner äußert

von ihmpersönlich zu erhebende Ansprüche über und über erfüllt worden seien. Auch das hat ihn von der Ausführung jener Parallele Abstand nehmen lassen. Dieses zweite Argument muß indessen ein wenig überraschen. Es widerspricht dem, was Fontane sonst gerade zu diesem Punkt festgestellt hat 9 , und will offenbar nur als augenblickliches Gefühl, nicht als bleibende Überzeugung gewertet sein. Andrerseits könnte man jedoch aus diesen Worten Fontanes eine weitere Erklärung dafür herauslesen, daß er dieDichteraspirationen nicht veröffentlicht hat, die voll sind von solchen Klagen über mangelhafte Anerkennung 10 .

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