Heft 
(1973) 16
Seite
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Buchbesprechung

Fontanes Realismus. Wissenschaftliche Konferenz zum 150. Geburtstag Theodor Fontanes in Potsdam. Vorträge und Berichte. (I. A. der Deut­schen Staatsbibliothek hrsg. v. Hans-Erich Teitge u. Joachim Schöbeß.) Akademie-Verlag Berlin, 1972. 197 S.

Die Beiträge zur Konferenz vom 10. bis 12. September 1969 erscheinen mit mehrjähriger Verspätung. Das mindert den aktuellen Wert einiger von ihnen, läßt aber aus der Distanz den dokumentarischen Charakter des Bandes deutlicher hervortreten. Anhand eines Querschnittes durch das gesamte Alterswerk (leider mit Ausnahme der Lyrik) werden die damals fortgeschrittensten Bemühungen vermittelt, dieses Werk editorisch und interpretativ dem Leser zu erschließen. Namentlich die Sorge für Fon­tanes Nachleben und die schöne Vereinigung, die Philologie und Lite­raturwissenschaft in diesem Sinne vollzogen haben, zeichnen die Publikation wie bereits frühere aus, welche mit dem Potsdamer Archiv, dem mehrfach berufenenZentrum der internationalen Fontane-Forschung, in Verbindung standen. Das Zusammenwirken mehrerer Disziplinen wie Institutionen würdigte und belegte denn auch die von Bruno Haid gehaltene Festansprache. Sie konzentrierte sich auf die Nachwirkung Fontanes in der DDR, wies reaktionäre Ausnützungen zurück und gab eine knappe Skizze des Gesamtwerks, ohne der Gefahr blinder Aktualisierung zu verfallen. (Einige anfechtbare Stellen, wie etwa die allgemeine Aussage überdie Begründer des sozialistischen Realis­mus, die an Fontane angeknüpft hätten [15], deuten eher auf Versäum­nisse der Forschung als des Redners; sicher wäre auch nach der Kon­ferenz, mit deutlicherem Blick auf einen Realismus, der vornehmlich die Umstände, die Konventionen, dastyrannisierende Gesellschafts- Etwas kritisiert, nicht gesagt worden, Lene Nimptsch und Stine seien die eigentlichen [...] Gegenspieler Botho von Rienäckers und des jungen Grafen Haldem [20 f.].) Was nächst der Wirkungsgeschichte und im Zusammenhang mit ihr eine dringliche Aufgabe der Forschung bleibt, das ist die Rangbestimmung des Prosaisten Fontane, ohne die man seinen Realismus nicht umfassend darstellen kann. Archivalische und editorische Arbeiten haben dafür ein umfangreiches Hilfsmaterial bereitgestellt, vornehmlich durch Sammlung und Abdrude von Entwürfen, Skizzen, fragmentarischen Ausführungen. Wenn das Ziel der Philologie die Her­stellung eines gesicherten Textes ist, dann geben diese Arbeitsstufen den Vorteil einer produktiven Verunsicherung; sie veranlassen eine Durchleuchtung von Textstellen, bei denen man sonst vielleicht gar nichts gefunden hätte. Es war daher angemessen, daß im Konferenz­ablauf interpretierende und textkritisdie Beiträge miteinander abwech­selten. Über die systematische Verzeichnung silier Werkhandschriften, die sich auf dem Gebiet der DDR befinden, berichtete in sehr instruk­tiver Weise Christel Läufer; Hans Werner Seiffert kommentierte und veröffentlicht jetzt zwei wiederaufgefundene Fragmente: Fontanes Rr [Schnarch-] Novelle und ein Doppelblatt aus demLikedeeler-

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