Freund, Gleichgesinnter und finanzielle Basis einer jungen, naturalistischen Autorengruppe, die ohne sein vorbehaltloses Engagement und sein ideenreiches Organisationsvermögen wohl kaum je von der Öffentlichkeit als eine neue „Bewegung“ wahrgenommen worden wäre — ganz abgesehen davon, daß die meisten ihrer kritischen, programmatischen und poetischen Produktionen im epigonalen, obrigkeitsstaatlichen Kulturklima des damaligen Deutschland kaum einen anderen Verleger gefunden hätten. Durch die Verbindung von versiertem, großangelegtem Unternehmertum und aktiver geistiger Identifikation mit der Literatur, die er verlegte, hat Friedrich in seinem Verlag die publizistischen Voraussetzungen für den deutschen Naturalismus geschaffen und dadurch maßgeblichen Einfluß auf die Literaturentwicklung seiner Zeit ausgeübt. Durch die bewußte Kombination von Geschäftsinteresse und persönlicher Überzeugung wurde der materielle Warencharakter und die kulturverändemde Funktion des Buches aufeinander bezogen und gleichermaßen dem Zweck dienstbar gemacht, ein bestimmtes Weltverständnis sowie die entsprechende Kunstauffassung publizistisch durchzusetzen. Diese verlegerische Konzeption Friedrichs ging von der erstaunlich modernen Voraussetzung aus, daß geistige Prozesse funktional, ihre Entwicklungsbedingungen und Äußerungen beeinflußbar sind; daß das Interaktionsgefüge des kulturellen Lebens regulierbar ist; daß man Literatur „organisieren“ kann. In diesem Sinne hat man es beim Naturalismus mit der ersten bewußt von einem Apparat „organisierten“ Literaturbewegung der deutschen Literaturgeschichte zu tun, in der Friedrich lange Zeit eine beherrschende, konzentrierende „Manager“-Rolle gespielt hat, die dann später von Brahm, Schlenther und S. Fischer übernommen wurde. Es ist darum kein Zufall, wenn seit dieser Zeit der literarische Vermittlungsapparat — Verleger, Lektor, Redakteur, Kritiker. Intendant usw. — immer größere Bedeutung gewinnt, das literarische Leben von Zeitschriften und Zeitungen sowie ihren Herausgebern und Kritikern bestimmt wird und auch der konsequente Aufbau von Schriftsteller- und Journalistenorganisationen in Deutschland um 1880 verstärkt einsetzt. Wilhelm Friedrich hat als der erste deutsche Literaturverleger zu gelten, der diese kulturellen Strukturveränderungen und die daraus entstandenen Wirkungsmöglichkeiten systematisch ausgenutzt und für die von ihm geförderte Literaturbewe- gung umfassend eingesetzt hat. Da er heute nicht einmal mehr enzyklopädisch und fachlexikalisch nachweisbar ist, sollen den Briefen einige Orientierungsdaten zur Biographie und Geschäftsentwicklung vorangestellt werden.
Wilhelm Friedrich wurde am 5. 11. 1851 in Anklam/Pommem als jüngster Sohn eines Kreisbaumeisters geboren, den die „Demagogenriecherei“ vorzeitig um sein Amt brachte. Nach dem Abitur 1868 an der Oberrealschule in Elbing absolvierte er dort seine Buchhändlerlehre und setzte die Ausbildung zwischen 1871 und 1878 als Gehilfe, später als Geschäftsführer und Prokurist, in Venedig, Turin, Lyon, Tiflis, Kiew, Agram und Zara fort. Während dieses über siebenjährigen Auslandsaufenthaltes erwarb sich Friedrich gründliche Kenntnisse europäischer Sprachen, Lite-
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