Heft 
(1973) 17
Seite
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Freund, Gleichgesinnter und finanzielle Basis einer jungen, naturalistischen Autorengruppe, die ohne sein vorbehaltloses Engagement und sein ideenreiches Organisationsvermögen wohl kaum je von der Öffentlichkeit als eine neueBewegung wahrgenommen worden wäre ganz ab­gesehen davon, daß die meisten ihrer kritischen, programmatischen und poetischen Produktionen im epigonalen, obrigkeitsstaatlichen Kulturklima des damaligen Deutschland kaum einen anderen Verleger gefunden hät­ten. Durch die Verbindung von versiertem, großangelegtem Unternehmer­tum und aktiver geistiger Identifikation mit der Literatur, die er verlegte, hat Friedrich in seinem Verlag die publizistischen Voraussetzungen für den deutschen Naturalismus geschaffen und dadurch maßgeblichen Ein­fluß auf die Literaturentwicklung seiner Zeit ausgeübt. Durch die be­wußte Kombination von Geschäftsinteresse und persönlicher Überzeugung wurde der materielle Warencharakter und die kulturverändemde Funk­tion des Buches aufeinander bezogen und gleichermaßen dem Zweck dienstbar gemacht, ein bestimmtes Weltverständnis sowie die entspre­chende Kunstauffassung publizistisch durchzusetzen. Diese verlegerische Konzeption Friedrichs ging von der erstaunlich modernen Voraussetzung aus, daß geistige Prozesse funktional, ihre Entwicklungsbedingungen und Äußerungen beeinflußbar sind; daß das Interaktionsgefüge des kulturellen Lebens regulierbar ist; daß man Literaturorganisieren kann. In die­sem Sinne hat man es beim Naturalismus mit der ersten bewußt von einem Apparatorganisierten Literaturbewegung der deutschen Litera­turgeschichte zu tun, in der Friedrich lange Zeit eine beherrschende, kon­zentrierendeManager-Rolle gespielt hat, die dann später von Brahm, Schlenther und S. Fischer übernommen wurde. Es ist darum kein Zufall, wenn seit dieser Zeit der literarische Vermittlungsapparat Verleger, Lektor, Redakteur, Kritiker. Intendant usw. immer größere Bedeutung gewinnt, das literarische Leben von Zeitschriften und Zeitungen sowie ihren Herausgebern und Kritikern bestimmt wird und auch der konse­quente Aufbau von Schriftsteller- und Journalistenorganisationen in Deutschland um 1880 verstärkt einsetzt. Wilhelm Friedrich hat als der erste deutsche Literaturverleger zu gelten, der diese kulturellen Struktur­veränderungen und die daraus entstandenen Wirkungsmöglichkeiten systematisch ausgenutzt und für die von ihm geförderte Literaturbewe- gung umfassend eingesetzt hat. Da er heute nicht einmal mehr enzyklo­pädisch und fachlexikalisch nachweisbar ist, sollen den Briefen einige Orientierungsdaten zur Biographie und Geschäftsentwicklung vorange­stellt werden.

Wilhelm Friedrich wurde am 5. 11. 1851 in Anklam/Pommem als jüngster Sohn eines Kreisbaumeisters geboren, den dieDemagogenriecherei vorzeitig um sein Amt brachte. Nach dem Abitur 1868 an der Oberreal­schule in Elbing absolvierte er dort seine Buchhändlerlehre und setzte die Ausbildung zwischen 1871 und 1878 als Gehilfe, später als Geschäfts­führer und Prokurist, in Venedig, Turin, Lyon, Tiflis, Kiew, Agram und Zara fort. Während dieses über siebenjährigen Auslandsaufenthaltes er­warb sich Friedrich gründliche Kenntnisse europäischer Sprachen, Lite-

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