Heft 
(1973) 17
Seite
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Juli 1890 nur zu geringen Strafen kam, der Verleger wurde sogar frei­gesprochen. Die rücksichtslosen Haussuchungen, Konfiskationen, Verhöre und Beschlagnahmungen verfehlten ihren psychologischen Einschüchte­rungseffekt jedoch nicht und auch die beabsichtigte demagogische, diffa­mierende Wirkung nach außen stellte sich schnell ein. Die exemplarische Verurteilung gelang. Friedrich geriet in den Ruf eines staatsfeindlichen, unmoralischen, atheistischen Verlegers, der zweifelhafte Literatur in Um­lauf brachte, fragwürdige Autoren protegierte und unter Polizeiaufsicht stand. Die Reaktion der Branche, bei Schriftstellern und Publikum ent­zog dem Verlag allmählich die wirtschaftliche Basis und öffentliche Re­putation. Er wurde im literarischen Leben isoliert, was gerade in dieser Zeit umso schwerer für Friedrich wog, als mit S. Fischer eine vielver­sprechende Alternative für die junge Literatur zur Verfügung stand. Als er 1892 Konkurs anmelden mußte, kam obwohl er einen Vergleich durchsetzen konnte zudem noch der Makel des ruinösen Unternehmers dazu.

So zerstörten die Auswirkungen der Hauptmann-Ablehnung und des Realistenprozesses in wenigen Jahren die Voraussetzungen einer erfolg­reichen Verlagsarbeit, zumal selbst der engere Autorenkreis sich teils öffentlich von seinem früheren Mentor, Kampfgenossen und Promotor lossagte und W. Friedrich sich in destruktive Prozesse und Presseausein­andersetzungen verwickelte. Dieser Selbstzerstörung der einst von Friedrich auf gebauten naturalistischenSchule, die von Gegnern, aber auch rivalisierenden Verlegern und Autoren derselben Orien­tierung mit unverkennbarer Genugtuung ausgenutzt wurde, waren der isolierte, geschwächte Verlag und sein resignierender, verbitterter Ver­leger nicht mehr gewachsen. Als schließlich 1895 auch noch Conrad als Begründer und langjährige Herausgeber derGesellschaft, des zen­tralen Verlagsinstruments seit 1887, eine öffentliche Auseinandersetzung über die Besitzrechte an dieser Zeitschrift herbeiführte, wurde der Zu­sammenbruch von Friedrichs verlegerischem Werk offensichtlich. Der Mann, der den Naturalismus in Deutschland mit vorbehaltlosem ideellen und materiellen Engagement publizistisch durchgesetzt und damit eine bisher zu wenig beachtete Voraussetzung für den späteren Wiederan­schluß der deutschen Literatur an die europäische Entwicklung her­gestellt hatte, der jahrelang als Organisationszentrum derRevolution der Literatur gewirkt und als führender Avantgarde-Verlag dasJüngste Deutschland repräsentiert hatte, dieser streitbare, berühmt-berüchtigte Wilhelm Friedrich war letztlich gerade an seinem naturalistischenAuto­renstall gescheitert. Im Herbst 1895 verkaufte er in wenigen Wochen den literarischen Verlag einschließlich derGesellschaft sowie den größten Teil der wissenschaftlichen Verlagsrechte und zog sich im Früh­jahr 1896 aus dem Geschäftsleben an den Gardasee zurück. Von dort leitete er bis 1902 seine Leipziger Restfirma, die nach einem letzten kur­zen Aufschwung als einer der ersten deutschen Verlage für theosophische Literatur und nach einem weiteren Konkurs 1906 erlosch. Während des 1. Weltkrieges, von 19151919, kehrte er als Geschäftsführer eines Baseler