Juli 1890 nur zu geringen Strafen kam, der Verleger wurde sogar freigesprochen. Die rücksichtslosen Haussuchungen, Konfiskationen, Verhöre und Beschlagnahmungen verfehlten ihren psychologischen Einschüchterungseffekt jedoch nicht und auch die beabsichtigte demagogische, diffamierende Wirkung nach außen stellte sich schnell ein. Die exemplarische Verurteilung gelang. Friedrich geriet in den Ruf eines staatsfeindlichen, unmoralischen, atheistischen Verlegers, der zweifelhafte Literatur in Umlauf brachte, fragwürdige Autoren protegierte und unter Polizeiaufsicht stand. Die Reaktion der Branche, bei Schriftstellern und Publikum entzog dem Verlag allmählich die wirtschaftliche Basis und öffentliche Reputation. Er wurde im literarischen Leben isoliert, was gerade in dieser Zeit umso schwerer für Friedrich wog, als mit S. Fischer eine vielversprechende Alternative für die junge Literatur zur Verfügung stand. Als er 1892 Konkurs anmelden mußte, kam — obwohl er einen Vergleich durchsetzen konnte — zudem noch der Makel des ruinösen Unternehmers dazu.
So zerstörten die Auswirkungen der Hauptmann-Ablehnung und des Realistenprozesses in wenigen Jahren die Voraussetzungen einer erfolgreichen Verlagsarbeit, zumal selbst der engere Autorenkreis sich — teils öffentlich — von seinem früheren Mentor, Kampfgenossen und Promotor lossagte und W. Friedrich sich in destruktive Prozesse und Presseauseinandersetzungen verwickelte. Dieser Selbstzerstörung der einst von Friedrich auf gebauten naturalistischen „Schule“, die von Gegnern, aber auch rivalisierenden Verlegern und Autoren derselben Orientierung mit unverkennbarer Genugtuung ausgenutzt wurde, waren der isolierte, geschwächte Verlag und sein resignierender, verbitterter Verleger nicht mehr gewachsen. Als schließlich 1895 auch noch Conrad als Begründer und langjährige Herausgeber der „Gesellschaft“, des zentralen Verlagsinstruments seit 1887, eine öffentliche Auseinandersetzung über die Besitzrechte an dieser Zeitschrift herbeiführte, wurde der Zusammenbruch von Friedrichs verlegerischem Werk offensichtlich. Der Mann, der den Naturalismus in Deutschland mit vorbehaltlosem ideellen und materiellen Engagement publizistisch durchgesetzt und damit eine bisher zu wenig beachtete Voraussetzung für den späteren Wiederanschluß der deutschen Literatur an die europäische Entwicklung hergestellt hatte, der jahrelang als Organisationszentrum der „Revolution der Literatur“ gewirkt und als führender Avantgarde-Verlag das „Jüngste Deutschland“ repräsentiert hatte, dieser streitbare, berühmt-berüchtigte Wilhelm Friedrich war letztlich gerade an seinem naturalistischen „Autorenstall“ gescheitert. Im Herbst 1895 verkaufte er in wenigen Wochen den literarischen Verlag einschließlich der „Gesellschaft“ sowie den größten Teil der wissenschaftlichen Verlagsrechte und zog sich im Frühjahr 1896 aus dem Geschäftsleben an den Gardasee zurück. Von dort leitete er bis 1902 seine Leipziger Restfirma, die nach einem letzten kurzen Aufschwung als einer der ersten deutschen Verlage für theosophische Literatur und nach einem weiteren Konkurs 1906 erlosch. Während des 1. Weltkrieges, von 1915—1919, kehrte er als Geschäftsführer eines Baseler