merton“ treffe. Er betont die „aufs Kleinste achtende Beobachtungskunst“, die Kenntnis der Berliner Gesellschaftsverhältnisse, den Realismus von Fabel und Darstellung und schreibt den bemerkenswerten Satz:
„Zum Glück aber gehört Fontanes Novelle ,L’Adultera‘ zu den dichterischen Werken, deren Inhalt nicht passirt zu sein braucht, um dennoch wahr zu sein. Die Figuren sind typisch ; was zwischen ihnen vorgeht, musste Vorgehen [. . .] Eine solche Geschichte hätte ein Dichter mit offenen Augen für seine zeitgenössische Umgebung schreiben können, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass in der und der Strasse von Berlin das und das sich wirklich so abgespielt habe.“27
Er verweist auf die Sprache als Charakterisierungsmittel, auf „köstlich“ gezeichnete „Staffagepersonen“ und auf die psychologische Darstellungsweise :
„Aber auch in der Entwicklung der Vorgänge zeigt Fontane ein ausserordentlich feinfühliges Geschick. Er sagt nicht alles und jedes, er lässt eine Menge von Dingen erraten, nachdem er durch die haarscharfe Charakterisirung und die taghelle Beleuchtung der Gegensätze dafür gesorgt, dass man die Katastrophe wie ein unwiderstehliches Naturereignis hinnimmt.“28
Diese kritische Analyse formuliert auf engem Raum in Ansätzen bereits Grundmerkmale des „eigentlichen“ späten Fontane, dessen Erzählkunst von Engel unter zeitbedingten Prämissen als vorbildlich für die erhoffte Entwicklung des deutschen Romans gewertet wird:
„Es wäre ein nicht hoch genug anzuschlagender Gewinn für die deutsche Romanliteratur, wenn sie auf dem hier — wo nicht zuerst, aber doch zuerst mit vollem künstlerischen Bewußtsein eingeschlagenen Wege der Lokalisirung von Geschichten aus der höheren Gesellschaft fortfahren wollte. Der Weg führt uns vielleicht zum nationalen Roman, und wenn nicht zu dem. so doch endlich heraus aus der verlogenen Wirtschaft jener Dutzend-Romane, die in der Sprache wie in den Charakteren wesentlich deshalb hin und her schwanken, weil sie keinen auf der Landkarte bestimmbaren Boden unter den Füßen haben.“29
Dies wurde weit vor der Öffentlichkeitswirkung der Brüder Hart geschrieben, mit denen gewöhnlich der Beginn des Naturalismus angesetzt wird, und etwa gleichzeitig mit der Zola-Vermittlung nach Deutschland durch M. G. Conrad, der damals bereits Mitarbeiter des „Magazins“ war. Und dies wurde von Fontane gesagt, obwohl die frühnaturalistischen Romane Max Kretzers zum Beispiel ihre ersten Publikumserfolge schon hinter sich hatten. Diese Zusammenhänge können hier nur angedeutet werden. Mit Engels Fontane-Aufsatz war die „Entdeckung“ des Erzählers Fontane vollzogen, wenn auch erst in der verkürzten Dimension des Berliner Gesellschaftsromanciers, welche die bald darauf einsetzende eigentümliche Affinität der Naturalisten zu Fontane stets bestimmt hat. Man ist deshalb geneigt, es nicht als einen Zufall zu bewerten, daß knapp l'/a Jahre später von derselben Novelle die zweite umfassend positive Würdigung des Erzählers Fontane ausgeht und daß diese wiederum aus dem späteren Kreis des „Jüngsten Deutschland“ kommt: Paul Schlenthers „L’Adultera“- Kritik nach der Buchausgabe, mit der die oft unterbewertete publizistischkritische Unterstützung Fontanes durch die „Berliner Schule“ und den 1884 gegründeten Anhängerkreis der „Zwanglosen“ eingeleitet wird. Für
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