aus früherer Zeit, ganz besonders die »Wanderungen in der Mark', aber auch z. B. der Anfang von ,Vor dem Sturm', zeigen uns außer dem großen Künstler der plastischen Schilderung den Meister der natürlichen, der einzig richtigen Auffassung der Dinge und Menschen. Auf festem, ihm bis in alle Kleinigkeiten von Sprache, Sitte, Denkweise, Gesten bekanntem Gesellschaftsboden wurzelnd, ist Fontane für das moderne Berlin das, was Willibald Alexis für Berlins und Brandenburgs ältere Zeiten war.“^
Diese Kritik übersandte Fontane anfang 1883 der Lieferantin des „Schach“-Stoffes Mathilde von Kohr, 55 die schon im November eines der ersten Exemplare erhalten hatte. 56 Dabei erklärte er zwar seine Zufriedenheit über den bisherigen „Beifall, den Schach im Publikum und in der Presse gefunden hat“, insbesondere bei Landgerichtsdirektor Lessing, dem Eigentümer der „Vossischen Zeitung“, der für die Jahresmitte „etwas ähnlich Novellistisches bei mir eingefordert hat“; zugleich aber gab er erneut seinem Erfolgs-„Schicksal“ resignierten Ausdruck:
. .] über dies schließlich doch immer nur bescheidene Maaß von Glück und Anerkennung werd’ ich schwerlich hinauskommen. Ein wirklicher Erfolg war mir nie beschieden und wird mir auch nicht mehr besChieden werden. [. . .] Je länger ich das Leben beobachte, je deutlicher seh’ ich ein, daß dem Einzelnen mit einer eisernen Consequenz des Schicksals das Eine gegeben, das Andre versagt wird; [. ..] Und nach diesem Unwandelbarkeitsgesetz ist auch über mein Bücher-Glück und Unglück ein für allemal entschieden: ich werde immer einen mäßigen Anstands-Erfolg erzielen; aber nie mehr. Auch bei Schach wird sich dies wieder zeigen; die zweite Auflage war schnell da, aber darüber hinaus wird es wohl nicht kommen.“ 5 :
Fontane behielt recht. Ein Dreivierteljahr nach Erscheinen des „Schach" bedauerte er nach einer Absatzmeldung Friedrichs „den abermaligen Mißerfolg meiner Anstrengungen“ und gab ein weiteres Mal zu erkennen, daß er selbst mit seiner schriftstellerischen Laufbahn innerlich bereits abgeschlossen hatte [18]:
„[.. .] am Ende eines Lebens auf eine vierzigjährige vergebliche Zappelei zurückzublicken, ist ein schlechtes Vergnügen. Tausendmal hab’ ich mir gelobt, gleichgültig dagegen zu sein (au fond i s t es gleichgültig); aber wenn einen dann die Zahl fünfhundertzehn anstarrt, fünfhundertzehn auf sechzig Millionen Deutsche, die über die Welt hin wohnen, so kriegt man ein Zittern und das Herz sinkt einem, um nicht einen drastischeren Ausdruck zu wählen.“
Über die spätere Absatzentwicklung bei Friedrich ist nichts bekannt, das Werk hat bei Lebzeiten Fontanes 1894 nur noch einen Einzeldruck erreicht (F. Fontane; vorher in „Dominik-Ausgabe“, Bd. 1, 1891). Der schwachen Publikumswirkung entsprach jahrzehntelang die geringe Beachtung der Novelle durch die Wissenschaft, die erst mit der sog. „zweiten Fontane-Renaissance“ ihren Stellenwert für die Entfaltung des Spätwerks erkannt hat.' kS
„Schach von Wuthenow“ blieb die einzige Buchpublikation Fontanes bei Friedrich, obwohl dieser sich wiederholt um neue Arbeiten des Dichters bemühte [14, 15, 24, 26] und ihn darum wenigstens einmal, im Dezember 1884 persönlich auf suchte [26; vgl. auch 18]. Obwohl der Briefwechsel 1883-4835, also die Jahre nach der „Schach“-Buchausgabe, ähnlich große Lücken auf weist wie in der Frühzeit der Verbindung, wird man von einer
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