satorischen Führungsposition nicht erst durch die Hauptmann-Ablehnung und den Realistenprozeß ausgelöst, sondern schon 1884/85 durch die massive Demonstration frühnaturalistischer Autoren unter Friedrichs Verlagsnamen eingeleitet wurde. Auf die Wirkungen und Konsequenzen dieser Programmverlagerung reagierte nicht nur Fontane mit teils irritierter, teils verärgerter Distanzierung von Friedrich und den von ihm protegierten Jüngstdeutschen. An Ludwig Pietsch schrieb er Ende 1885: „ .. . auch Sie werden vielleicht empfinden, daß neue Menschen um uns her geboren wurden, die zu neuen Göttern und Götzen beten. Ich komme aus diesem Gefühl nicht mehr heraus und bin vereinsamt.“72
Dieses Bewußtsein verlorener Integration in das umgebende literarische Leben korrespondiert mit der dargestellten Erfolgsproblematik des Erzählers Fontane und hat den alternden Dichter offensichtlich nur zweimal, und auch dann nur vorübergehend, verlassen: um 1889/90, als sich eine kritische und ästhetische Kongruenz zwischen dem „alten Herrn“ und den konsequenten Naturalisten abzuzeichnen schien, die jedoch schon 1891 wieder durch eine deutliche Distanz bei Fontane korrigiert wurde; und 1881/82, als Eduard Engel im „Magazin“ den neuen deutschen, den französischen und russischen „Realisten“ ebenbürtigen Erzähler Fontane der Öffentlichkeit vorstellte. Während jedoch die Verbindung zu Brahm und Schlenther zu einer literarhistorisch bedeutsamen Leitlinie der 80er und 90er Jahre sich verdichtete, wurde die früher einsetzende Verbindung zu Engel-Friedrich durch den Herausgeberwechsel beim „Magazin“ schon früh unterbrochen und kam während des „revolutionären“ Kurswechsels des Verlages um 1885 völlig zum Erliegen. Die Kluft schien unüberbrückbar. Wie stark das Problem der „Verspätung“ Fontanes auch ein Problem des Bewußtseins, nicht nur des Generationsunterschiedes und der Ästhetik gewesen ist, zeigt eine Passage desselben Briefes an den von Fontane hochgeschätzten Kunsthistoriker der „Vossischen Zeitung“:
„Mit einer Art Schauder denkt man an die Möglichkeit, daß man rankehaft alt werden und dem Mitleidsobol einer von Pietät und ähnlichen Schnurrpfeifereien emanzipierten Jugend verfallen könnte.“73
Der größte Teil der so apostrophierten „Jugend“ war damals schon Autor des Verlages Wilhelm Friedrich in Leipzig und gehörte zum „Gefolge“ der neuen Tagesgrößen Michael Georg Conrad, Karl Bleibtreu und Kon- rad Alberti (-Sittenfeld), die nach der Übernahme der „Magazin“-Leitung durch Bleibtreu zu den Regisseuren der „Revolution der Literatur“ und Hauptautoren des Friedrich-Verlages wurden. Mit ihrer sendungsbewußten Sozialromantik, ihrem bornierten Genietum, ihrer rücksichtslosen Bilderstürmerei und überheblichen Vielwisserei polarisierten und schockierten sie damals die kulturelle Epigonenwelt des wilhelminischen Deutschland und provozierten den erbitterten Widerstand selbst prinzipieller Gesinnungsgenossen. Sie verkörperten eine Spielart des zeitgebundenen, radikalen Tendenz- und Gesinnungsliteraten und prägten den modernen Typus des linksbürgerlichen Weltverbesserers in Deutschland. Soweit bisher nachweisbar, hat Fontane von ihren unreifen literarischen Erzeugnissen so gut wie keine Notiz genommen, sie spielen im kritischen und Briefwerk keine Rolle. Diese Tatsache ist deshalb erstaunlich, weil sich
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