Heft 
(1973) 17
Seite
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Fontane schon 1881 mit Turgenjew, 1883 ausführlich mit Zola beschäftigt hatte und 1887 die Auseinandersetzung mit Ibsen beginnt. Den deutschen Naturalismus hat er offenbar vor Holz/Schlaf und Hauptmann nicht ernst genommen, mit kaum einem kritischen Wort gewürdigt und sich ver­ärgert und zweifelnd nach seiner ersten Erfahrung mit dieserBewegung' im Verlag W. Friedrichs zurückgezogen:

Ich brauche wohl nicht erst zu versichern, daß ich an dem Überheblichkeitstone des jüngsten Deutschlands, an dem Allesbesserwissen der Schererschen Schule (deren die Sache aufs Philologische hin ansehende Berechtigung mir außerdem noch zweifehaft ist), daß ich, um meinen höchsten Trumph auszuspielen, an der Karl-Bleibtreuerei der modernen Kritik Anstoß nehme. Zugleich aber leb ich und sterb ich in der Überzeugung, daß wir in Brahm-Schlenther die besten Nummern der jungen Schule gehabt haben respektive noch haben .Ti

Mit dieser Bewertung waren Akzente gesetzt, die Fontanes Lösung aus der Mitarbeit amMagazin und seine Distanzierung von Friedrich und den Hauptautoren seines Verlages mehr als rechtfertigen und literar­historisch weitsichtiger erscheinen lassen als das konsequente Engagement desSchach-Verlegers bei der von Bleibtreu ausgerufenenRevolution der Literatur. Es ist unter diesem Aspekt bezeichnend, daß weder Brahm noch Schlenther als zwei der ganz wenigen Schriftsteller jener Zeit je eine Zeile für Friedrich oder seine Organe geschrieben haben und 1889/90 bei derTeilung des deutschen Naturalismus die wichtigsten kritischen Antipoden der Autorengruppen um Friedrich unter Conrad, Bleibtreu und Alberti geworden sind. Als 1889 mit demKarrenschieber von Grisselsbrunn in derGesellschaft Fontanes letzter Beitrag unter dem Verlagsnamen Wilhelm Friedrichs erschien, 75 hatte die Literatur­geschichte bereits im Sinne Fontanes entschieden, die zukunftsweisenden literarischen Prozesse gingen von derBerliner naturalistischen Gruppe aus sowie nach dem Zerfall derFreien Bühne vomJungen Wien unter Hermann Bahr, während dieMünchener Naturalisten schon vor ihrem Verkauf durch Friedrich ihre Bedeutung und ihr Publikum ver­loren. Fontanes Verlagsbeziehungen zu W. Friedrich sind eine Episode für den Dichter geblieben und haben sein Verhältnis zum Naturalismus zumindest vorübergehend nachhaltig sehr negativ beeinflußt. Die bis in die 90er Jahre wiederholt geäußerte Kritik an dem Fontane schon als Kind bekannten Karl Bleibtreu, derKarl-Bleibtreuerei, zeigt dies deut­lich. 76 Die Bedeutung dieser kurzen und literarisch wenig ergebnisreichen Verlagsbeziehung liegt jedoch in derEntdeckung des Erzählers Fontane. Es ist üblich geworden, die Fontane-Rezeption mit Brahm, Schlenther und den späten Naturalisten beginnen zu lassen, eingeleitet durch Schlenthers LAdultera-Kritik in derTribüne. Die eigentlicheEntdeckung des späten Fontane aber muß man nach dem Fontane-Friedrich-Material dem Herausgeber desMagazins zuschreiben, dessen Kritik desselben Werkes Anfang 1881, einundeinhalb Jahre vor Schlenther, der Öffentlichkeit den neuen deutschen Erzähler Fontane vorgestellt hatte, in einem Organ des jungen Verlegers Wilhelm Friedrich.

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