Werke auf das Umgekehrte hinaus. Es ist der Realismus vor allem des späten F., den H. verständnislos ablehnte, so bereitwillig er auch früher den Balladendichter anerkannt haben mochte (S. 4X6). Während er an F.s erstem Roman „Vor dem Sturm“ die „Liebe zur Scholle, zu jedem Sandkorn in dieser Scholle“ lediglich kompositorisch als nachteilig empfand (S. 447), sah er bereits in „L'Adultera“ eine „Verirrung“ von F.s Talent (S. 743). An „Quitt“ tadelte er die bloße Wiedergabe des Tatsächlichen, den Mangel an „poetischer Gerechtigkeit“ (S. 215), um schließlich „Die Poggenpuhls“ als „anmutigen Klatsch“ abzutun und sich selbst über „Elfi Briest“ mit kritischer Distanz auszusprechen (S. 527).
Obgleich indessen F. und H., zumal in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, als Schriftsteller durchaus verschiedene Wege gingen und F. sogar mit denselben Naturalisten sympathisierte, die H. befehdeten und verspotteten, ist H. dennoch der einzige namhafte Schriftsteller aus dem „Tunnel über der Spree“, mit dem F. zeitlebens in Verbindung blieb. Und schon insofern repräsentiert ihre Korrespondenz ein Stück Lebens- und Schaffensgeschichte.
Gegenüber der Ausgabe der Briefe, die Erich Petzet 1929 vorlegte, ist diese neue Ausgabe des leider nicht vollständig überlieferten Briefwechsels nicht nur unter Rückgriff auf die Handschriften berichtigt und in einigen Einzelheiten ergänzt worden, sondern es ist Gotthard Erler auch gelungen, zwei weitere Briefe von H. und vierzehn von F. neu hinzuzufügen, so daß nun 154 Briefe und Gedichte aus den Jahren 1850 bis 1897 vorliegen. Außerdem enthalten die Anmerkungen mehrere bisher unveröffentlichte Briefe F.s an andere Personen. Besonders hervorzuheben sind das instruktive Vorwort des Herausgebers und der Anhang, der neben anderem Aufsätze F.s über H. und Rezensionen von Werken H.s bzw. der Aufführungen seiner Stücke bringt, darunter zwei bisher ungedruckte Aufzeichnungen von F. aus den Beständen des Theodor-Fontane-Archivs. Nur eines vermißt man: die Äußerungen H.s über F. in seinen „Jugenderinnerungen und Bekenntnissen“. Der Herausgeber benutzt sie zwar gelegentlich zur Kommentierung, doch wäre der geschlossene Abdruck des Abschnitts über F. im Anhang wünschenswert, da er gleichsam eine Antwort H.s auf F.s Ausführungen in „Von Zwanzig bis Dreißig“ (hier S. 268—275) darstellt. Es versteht sich, daß ein Register und Verzeichnisse der erwähnten Werke nicht fehlen, und es ist erfreulich, daß zwölf Abbildungen und etliche Faksimiles beigegeben wurden. Der dankbarsten Erwähnung aber ist es wert, daß die Brieftexte, selbst 234 Seiten umfassend, in einem Anmerkungsteil von 163 Seiten erläutert werden, wobei dem Herausgeber nicht nur sein profundes Wissen, sondern auch sein Geschick im Suchen und Aufflnden auch des Abgelegenen zugute kamen. So entstand eine in mancher Hinsicht bereicherte und darum berechtigte und begrüßenswerte neue Ausgabe des Briefwechsels.
— Dr. Joachim Krueger —