Art ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in besonderer Weise berufen, die weltweiten Bemühungen um Fontane zu bilanzieren, bei denen sich ja gegenwärtig Edition und Forschung eng verknüpfen.
Charlotte Jolles gibt zunächst einen Überblick über Schicksale und Aufbewahrungsorte der Handschriften, charakterisiert, sorgfältig differenzierend, die wichtigsten neueren Gesamteditionen, vermittelt alles Wissenswerte über Briefe und Tagebücher und schließt jeweils — wie auch in den folgenden Kapiteln — eine kritisch ausgewählte Bibliographie an. Nicht ganz einverstanden bin ich hier lediglich mit der Bemerkung über die Briefsammlungen „Heiteres Darüberstehen“ und „Letzte Auslese“, die ebenfalls einige, doch weniger starke Eingriffe“ zeigten (S. 8); „weniger“ vielleicht, aber nicht minder „starke“! (Vgl. u. a. Fontane-Blätter 1, H. 7, S. 327 ff.)
Den zweiten Abschnitt hat Charlotte Jolles der Biographie Fontanes gewidmet, die sie vor allem für die Zeit bis 1859 überaus detailliert aufarbeitet. Fontanes Position als Vormärzlyriker, als revolutionärer demokratischer Publizist wird deutleh umrissen, und auch sein zeitweiser Anschluß an die Konservativen ist plausibel begründet: Fontane befand sich „von jetzt an, zuerst mit schlechtem Gewissen und immer in einer zwiespältigen Lage, in einem politischen Lager..., dem er eigentlch nicht angehörte“ (S. 25). Gegenüber dieser sorgsam belegten Frühentwicklung nimmt sich der Passus von 1860 bis 1898 vergleichsweise mager aus und reduziert sich auf einige spärliche biographische Fakten. Das ist zu bedauern, weil dadurch die weitere weltanschaulich-politische Entwicklung Fontanes nicht in gleicher Weise systematisch und kontinuierlich verfolgt wird wie in der Frühzeit. Frau Jolles sucht die spezifischen Fragestellungen des alten Fontane später im vierten Kapitel in den Griff zu bekommen, das sich mit „Politik und Gesellschaft. Persönlichkeit und Weltbild“ befaßt. Aber dort gelingt es m. E. nur im Ansatz und eben nicht im organischen Zusammenhang der Vita. In einer zweiten Auflage wäre die angedeutete Diskrepanz leicht zu reparieren.
Naturgemäß nimmt der dritte Abschnitt, das Gesamtwerk behandelnd, den größten Raum ein, und dabei dominiert wieder der erzählerische Komplex. Hier wird der Stand der Debatte durchweg überzeugend protokolliert, und allenfalls über die Beurteilung der „Wanderungen“ möchte ich mit Frau Jolles streiten. Zweifellos: ihre besondere Position innerhalb des journalistschen Schaffens bestimmt sich aus der engen Verflechtung mit der Epik. Gleichwohl sollte man sie nicht ausschließlich als Funktion des journalistischen Schaffens bestimmt sich aus der engen Verflechtung Und überdies kann man die „bis in die Gegenwart reichende Wirkung“ des Werks nicht nur damit begründen, daß durch die politische Entwicklung nach 1945 „der Schauplatz der Wanderungen“ den Blicken vieler entrückt und vielleicht gerade dadurch ein erneutes Interesse an der historischen Bedeutung dieser Reisefeuilletons wachgerufen“ worden sei (S. 38). Denn dies ist ein westdeutscher Teilaspekt, der beispielsweise die ungeheure Popularität der „Wanderungen“ in der DDR nicht erklärt. Zustimmen möchte ich dagegen fast allen Romanpassagen (mit Ausnahme
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