Heft 
(1973) 17
Seite
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Art ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in besonderer Weise berufen, die weltweiten Bemühungen um Fontane zu bilanzieren, bei denen sich ja gegenwärtig Edition und Forschung eng verknüpfen.

Charlotte Jolles gibt zunächst einen Überblick über Schicksale und Auf­bewahrungsorte der Handschriften, charakterisiert, sorgfältig differenzie­rend, die wichtigsten neueren Gesamteditionen, vermittelt alles Wissens­werte über Briefe und Tagebücher und schließt jeweils wie auch in den folgenden Kapiteln eine kritisch ausgewählte Bibliographie an. Nicht ganz einverstanden bin ich hier lediglich mit der Bemerkung über die BriefsammlungenHeiteres Darüberstehen undLetzte Auslese, die ebenfalls einige, doch weniger starke Eingriffe zeigten (S. 8);weniger vielleicht, aber nicht minderstarke! (Vgl. u. a. Fontane-Blätter 1, H. 7, S. 327 ff.)

Den zweiten Abschnitt hat Charlotte Jolles der Biographie Fontanes ge­widmet, die sie vor allem für die Zeit bis 1859 überaus detailliert auf­arbeitet. Fontanes Position als Vormärzlyriker, als revolutionärer demo­kratischer Publizist wird deutleh umrissen, und auch sein zeitweiser An­schluß an die Konservativen ist plausibel begründet: Fontane befand sich von jetzt an, zuerst mit schlechtem Gewissen und immer in einer zwie­spältigen Lage, in einem politischen Lager..., dem er eigentlch nicht an­gehörte (S. 25). Gegenüber dieser sorgsam belegten Frühentwicklung nimmt sich der Passus von 1860 bis 1898 vergleichsweise mager aus und reduziert sich auf einige spärliche biographische Fakten. Das ist zu be­dauern, weil dadurch die weitere weltanschaulich-politische Entwicklung Fontanes nicht in gleicher Weise systematisch und kontinuierlich verfolgt wird wie in der Frühzeit. Frau Jolles sucht die spezifischen Fragestel­lungen des alten Fontane später im vierten Kapitel in den Griff zu be­kommen, das sich mitPolitik und Gesellschaft. Persönlichkeit und Welt­bild befaßt. Aber dort gelingt es m. E. nur im Ansatz und eben nicht im organischen Zusammenhang der Vita. In einer zweiten Auflage wäre die angedeutete Diskrepanz leicht zu reparieren.

Naturgemäß nimmt der dritte Abschnitt, das Gesamtwerk behandelnd, den größten Raum ein, und dabei dominiert wieder der erzählerische Komplex. Hier wird der Stand der Debatte durchweg überzeugend pro­tokolliert, und allenfalls über die Beurteilung derWanderungen möchte ich mit Frau Jolles streiten. Zweifellos: ihre besondere Position innerhalb des journalistschen Schaffens bestimmt sich aus der engen Verflechtung mit der Epik. Gleichwohl sollte man sie nicht ausschließlich als Funktion des journalistischen Schaffens bestimmt sich aus der engen Verflechtung Und überdies kann man diebis in die Gegenwart reichende Wirkung des Werks nicht nur damit begründen, daß durch die politische Entwick­lung nach 1945der Schauplatz der Wanderungen den Blicken vieler entrückt und vielleicht gerade dadurch ein erneutes Interesse an der histo­rischen Bedeutung dieser Reisefeuilletons wachgerufen worden sei (S. 38). Denn dies ist ein westdeutscher Teilaspekt, der beispielsweise die ungeheure Popularität derWanderungen in der DDR nicht erklärt. Zu­stimmen möchte ich dagegen fast allen Romanpassagen (mit Ausnahme

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