nete darum z. B. die Mitglieder, die eigene Werke vorlegten, ironisch als „Makulaturen“, die aber, die nichts Eigenes vorzuweisen hatten und nur passiv teilnahmen, als „Klassiker“.
Theodor Fontane hat sich in seinen Protokollen bemüht, den Forderungen des Vereins genüge zu tun und den typischen Ton der „Tunnel“-Protokolle zu treffen. Er konnte sich dabei Wilhelm von Merckel zum Vorbild nehmen, der lange Jahre als Protokollführer gewirkt hatte und in der Kunst, mit Witz, Ironie und mitunter auch Sarkasmus zu protokollieren, unbestrittener Meister war.
Die siebenundneunzig Sitzungsprotokolle und drei Jahresberichte, die Fontane abgefaßt und in der Regel eigenhändig niedergeschrieben hat, haben sich im Archiv des „Tunnels über der Spree“ erhalten und bilden den wertvollsten Bestandteil des Vereinsarchivs. Entsprechend den Verfügungen, die der „Tunnel“ selbst in § 128 seiner Statuten von 1835 getroffen hatte, gelangte das Archiv nach dem Erlöschen des Vereins in den Besitz der Berliner Universität, die es der Universitätsbibliothek überwies. Das geschah jedoch erst 1912, obgleich der Verein bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts seine Tätigkeit eingestellt hatte (die letzte Sitzung, von der ein Protokoll vorliegt, fand am 30. 10. 1898 statt). In ihrer Gesamtheit sind die Protokolle und Berichte, die von Fontane stammen, bisher nicht veröffentlicht worden. Lediglich einzelne Protokolle wurden publiziert, sei es ganz oder auszugsweise, und zwar z. T. an nicht leicht zugänglichen Stellen. Fritz Behrend, dem wir verschiedene Arbeiten zur Geschichte des „Tunnels“ verdanken, hat 1933 sechs Protokolle in einen Privatdruck aufgenommen 13 . Ein Protokoll ist in Helmuth Nürnbergers Fontane-Buch zu finden 14 . Wenn man von einigen Zeitschriftenbeiträgen absieht, die Auszüge aus Fontane-Protokollen enthalten, haben im übrigen zumal Carl Wegmann 15 , Emst Köhler 16 und Julius Petersen 17 Ausschnitte aus einer Reihe anderer Protokolle Fontanes in ihren Publikationen verwertet.
Hier werden nun fünf weitere Protokolle aus der Feder Fontanes vorgelegt, die unbekannt sein dürften, wenn auch Köhler und Petersen einige Sätze aus drei von ihnen zitiert haben 18 .
Für die Auswahl der fünf Protokolle waren vorab inhaltliche Gesichtspunkte maßgebend. Einerseits wurden Protokolle ausgewählt, die über den Vortrag und die Würdigung von literarischen Werken mit einem gewissen, deutlich formulierten politisch-ideologischen Gehalt berichten. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen, daß das im „Tunnel“ eher eine Ausnahme als die Regel war. Denn an sich war im „Tunnel“ — nach § 2 der Statuten — die Behandlung politischer Fragen überhaupt unzulässig. Obwohl man dessenungeachtet Huldigungsgedichte auf Preußen und die Hohenzollem anstandslos passieren ließ, gab der „Tunnel“ doch im übrigen dem (scheinbar) Allgemein-Menschlichen, dem politisch Unverbindlichen und Privaten bereitwillig den Vorzug. So ist es denn etwas Außergewöhnliches, wenn in einer im „Tunnel“ vorgetragenen Versdichtung die Französische Revolution von 1789 oder in einer Novelle die deutsche Revolution von 1848 eine wesentliche Rolle spielen.
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