Deliberations-Tunnel über 14 Tage. Eiserner Fonds: 8 Sgr. 3 Pfg.
Lafontaine
Kommentar
Faul Heyses (Hölty) Versnovelle „Urica“ 30 ist in Stanzen geschrieben, die sieben jambische Fünfheber und einen jambischen Vierheber mit überwiegend männlichem Ausgang aufweisen. Sie folgen dem Reimschema: abbabcbc.
Heyse schildert eine Episode aus der Französischen Revolution und will zeigen, daß ihre große Losung der egalite letzten Endes Lüge war. Er bezieht dabei jedoch die Position eines liberalen Bürgers, der den Terror mißbilligt und seine Sympathien für die Monarchie nicht verhehlt. Die Wahl des Stoffes — Haltung und Geschick französischer Adliger im Verlaufe der Revolution — bestätigt, daß Fontane Recht hatte, wenn er Heyse später (in einem Brief vom 4. 2. 1855) „Vorliebe für die subtile psychologische Entwicklung“ nachsagte, ihm zugleich aber „eine gewisse vornehme Gleichgültigkeit gegen die Geschichte, eine Neigung fürs Kapriziöse, fürs launenhaft Aparte und eine von Zeit zu Zeit mangelnde plastische Kraft“ vorwarf 31 . Denn die dargestellten Vorgänge haben etwas Untypisches, Extravagantes an sich. Dem entspricht, daß Heyse zwar in gewandter, wohllautender Sprache schreibt, jedoch komplizierte, erkünstelte Bilder verwendet.
Vor allem aber weist die Novelle eine Unklarheit in der Motivierung des Konflikts auf. Indem Etienne auf die entscheidende Frage Urikas hin schweigt, bekundet er zwar, daß er sich nicht zu ihr bekennen will, weil sie eine Farbige ist. Diese Entscheidung schwächt Heyse dann jedoch ab, indem er Etienne erklären läßt, daß Etienne Urika aus allgemeinmenschlichen Motiven nicht liebe, sondern ihr nur freundschaftlich verbunden sei. Dadurch haftet dem Konflikt das an, was Fontane in einer Rezension von 1854 mit Recht an der Novelle überhaupt kritisiert, nämlich der „Stempel [...] des Unkonkreten“, denn Heyse „flüchtet sich [...] hinter die blasse Allgemeinheit, von der nur noch ein Schritt ist bis zur poetischen Phrase“ 32 . Denn die gegen Etienne sprechende Tatsache, daß er zwar für ögalite schwärmt, vor ihren praktischen Konsequenzen aber zurückschreckt, verliert durch die gleichzeitige Berufung auf allgemein-menschliche Motive an Gewicht. Das ist umso mißlicher, als gerade Etiennes Verhalten in Heyses Novelle dazu dienen soll, die innere Unwahrheit jener Losung nachzuweisen.
Fontane trennte die beiden Motivierungen voneinander und hielt sich ausschließlich an die allgemein-menschliche Motivation, wobei er seine Aufmerksamkeit vor allem der Gestalt der Urika zuwandte. In Übereinstimmung mit seinen Ausführungen im Protokoll schrieb er in seiner Besprechung von 1854: „Urika ist das ganze Gedicht hindurch in einem tiefen Irrtum darüber befangen, was eigentlich egalite sei, und sie pocht auf Rechte, die kein Konventsbeschluß der Welt [...] jemals verleihen
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