Heft 
(1974) 18
Seite
95
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kann. Denn dasGleichstellungsprinzip, so meinte Fontane,, habe mit den Symphatien und Antipathien des Herzensnicht das Geringste zu schaffen. Fontanes Facit lautet:Etienne heiratet sie nicht, weil er sie nicht liebt; ob er sie nicht liebt, weil sie schwarz ist, ist wieder eine Sache für sich, so daß Urikas Verhalten nach Fontanes Auffassung einfach eine Torheit oder aber eine bewußte Unklarheit zugrunde liegt 33 .

Indessen hat Fontane hier seinen Freund Heyse offenbar z. T. miß­verstanden. Denn nach Heyse ist sich Urika durchaus darüber im klaren, was egalite ist, und sie verfällt nicht dem Irrtum, ihren Anspruch auf Etienne aus demGleichstellungsprinzip herzuleiten. Sie erwartet nur, daß der Unterschied in der Hautfarbe nun, nachdem dieses Prinzip gesiegt zu haben scheint, der Liebe nicht mehr im Wege stehen soll. Zwar wird sie darin enttäuscht, aber in erster Linie bereitet ihr ein anderer Irrtum schwere Enttäuschung, nämlich die Annahme, daß Etienne sie liebe. Aus diesem Irrtum ergibt sich nach Heyses vielleicht von ihm selbst so nicht beabsichtigter Verknüpfung hauptsächlich die Katastrophe. Daß darüber hinaus die egalite bei Etienne nur eine Phrase bleibt, hat im gründe mehr theoretische als praktische Bedeutung. Und insofern kommt Fontane an anderer Stelle durchaus mit Recht zu der Feststellung, Heyse mache es sich zwarzur Aufgabe, das Egaltätsprin- zip in seiner ganzen Nichtigkeit darzustellen. [...] Aber der Dichter hat alles Mögliche bewiesen, nur eben das nicht, was er beweisen will. Wir müssen diese Arbeit verfehlt nennen 34 .

Fontane wird sich umso mehr für berechtigt gehalten haben, ein solches Urteil zu fällen, als er mit der Novelle genau vertraut zu sein meinte und ihre Entstehung mit erlebt hat. Denn als Fontane den jungen Heyse in Berlin kennen lernte, arbeitete dieser, wie Fontane in einem Aufsatz über Heyse von 1867 berichtet,an seiner ,Urika', eine Novelle in Versen, mit der ich mich weder damals noch später recht befreunden konnte und die, während wir es uns auf dem Sopha so bequem machten, als sein Tiefbau und seine hohen Lehnen es zuließen, zu mancher heißen Szene zwischen uns führte. Wer noch brütend über der Arbeit sitzt, fährt leicht auf und schlägt mit den Flügeln 35 .

Der Ton, in dem Fontane im Protokoll über den Inhalt der Novelle berichtet, ist wohl mit Rücksicht auf den mitunter mehr als konserva­tivenTunnel gewählt. Daher die abschätzigen Bezeichnungen für die republikanischen Truppen, die im Herbst 1793 eine konterrevolutionäre Erhebung in Lyon niederschlugen (Banden von Lyon") und für die Anhänger Marats (Maratsches Gesindel). In Heyses Novelle kommen diese Formulierungen nicht vor, obgleich sonst auch bei Heyse die Republikaner eher negative als positive Züge tragen.

An einer Stelle weicht der Text der Einzelausgabe von 1852 von dem ab, was Fontane referiert. Etienne wird, nach Heyses Text, von den Repu­blikaner, die den Übergang über die Seine bewachen, lediglich auf gefordert, einen Schluck Wein zu trinken. Er tut es ..auf das Wob.