Heft 
(1974) 18
Seite
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Du in den Gesellschaften von P. L. 7 usw. andere Aufnahme gefunden, ist ganz natürlich; dem Kreise bist Duneu; bewegtest Du Dich darin wie in dem Deiner Freunde, würde es bald anders sein. Nur Du bringst das Gefühl DeinerStellungslosigkeit 8 mit, die anderen, mit Stellen etc., beneiden Dich darum u. meist auch darum, daß Du reden kannst, wie Dir der Schnabel gewachsen ist. In einem, glaube ich, bist Du manchmal auch Deinen wärmsten Verehrern u. -rinnen unbequem, in Deiner Wahrhaftigkeit u. Gründlichkeit! Wehe dem Unglücklichen, der obenhin Dir etwas erzählt; er muß jedes ausgesprochene Wort besiegeln u. beschwören, u. wehe der Unglücklichen, die eine leichte Frage hin­wirft, sie muß die eingehendste Abhandlung aushalten. Nun, alles zu seiner Zeit. Auch die geistreichste Abhandlung ist gesellschaftlich mal nicht am Platz, u. ein hingeworfenes Wort bleibt besser unerörtert. Aus dieserliebenswürdigen Schwerfälligkeit, die Du manchmal hast, entsteht dann eine gene 9 , die Du dem einen oder anderen anmerkst und woraus Du dann Gott weiß was für argwöhnische Schlüsse machst.

. Deine Wahrhaftigkeit und Dein Aufdengrundgehen geniert die Menschen, /|__auch die besten u. Dir wohlgewogensten. (Mich nicht.)

Die Feiertage sind nun glücklich vorüber. Der erste brachte mir Deinen lieben Brief 10 u. den sehr netten von Mete; auch für Friedeis bedanke ich mich. Am Mittag waren hier Verwandte zu Tisch, u. später kamen diemutmaßlich durch Clärchen werdenden Verwandten. Nette, feine Menschen, so Herren wie Damen, u. doch sind es immer endlos lange Stunden, wie ich sie in Berlin in keiner Gesellschaft durchlebe; hier täte mal ein gründliches Element not. Alles kleine u. kleinste Interessen u. alles andere dem Stadtblättchen, höchstens der Breslauer Zeitung entnommen. Gestern bei Regenwetter fuhr ich mit Clärchen u. Hedwig zur Kirche. Die Predigt war gut genug; aber einige Landleute in meiner Nähe hatten Rosmarin-Sträußchen, deren Duft mit dem multrigen Kirchengeruch mir Kopfweh verursachten; außerdem verdroß es mich, daß eine ursprünglich schöne oder doch eigentümliche katholische Kirche mit der Zeit in unserem Besitz zu einer alten Rumpelkammer ohne jegliche Stileinhaltung umgeformt ist. Zu Tisch nahmen wir uns unseren alten 78jährigen Doktor mit heraus (Sophie ist mit ihrer Tochter ver­reist) und spielten später mit ihm Whist mit dem Strohmann. Sehr erfreute mich unseres lieben Theos u. Tillas Brief. Beiden danke ich für die Festfreude, die sie mir dadurch bereitet, u. bitte ersteren mir eine Antwort zu erlassen, da alles Mitzuteilende er aus meinen Briefen an Dich erfährt. Ich habe wieder eine schmerzhafte Pflastererfahrung gemacht, indem dasselbe, welches Johanna permanent trägt, mir wieder solche Wunden verursacht hat, daß mein ganzer Rücken wie abgezogen war u. erst heute abzuheilen beginnt. Wie viel nervöser ich mit zu­nehmendem Alter werde, merke ich, weil ich mich auch beim Schnell­fahren ängstige. Sonst bekommt mir das ruhige Leben sehr gut; ich esse wunderschöne saure Milch zum zweiten Frühstück, die sich als wirksame u. jedenfalls für mich billige Brunnenkur bewährt. Wie lange meines Bleibens hier sein wird, kann ich gar nicht bestimmen, da

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