Heft 
(1974) 18
Seite
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die Pläne meiner lieben Wirte für den Sommer noch ganz unentschieden sind. Mein Hiersein hätte beinah den dringenden Wunsch Treutiers, Johanna acht Tage in Dresden zu genießen, vereitelt, wenn die Mädchen es mir nicht verraten hätten. Ich habe ihr nun energisch erklärt, wenn sie am 21. d. nicht nach Dresden abreise, ich an dem Tage nach Berlin abdampfen würde. Nun hat sie endlich nachgegeben. Für Deine freund­lichen Zeilen dankt sie sehr. Mit 1000 Grüßen an Freund u. Feind u. der Bitte, mir meine Klugschmuserei nachzusehen:le style 11 ist nicht meine Force, immer u. immer Deine Dich zärtlich liebende Alte. Ich schreibe zum 13. an Heyden eine Karte. Sonntag, am 16., ist Josels Gebtg.

Meine liebe Frau.

Berlin, 12. Juni 78 Potsdamer Straße 134 c

Morgen, an Heydens Geburtstag - zu dem ich noch den üblichen Toast 12 zu meiner und andrer Mattfreude (dies sag ich aber wahrhaftig nicht aus gekränkter Eitelkeit) zu machen habe, wird aus dem Schreiben nicht viel werden; so will ich Dir schon heute für Deinen ausführlichen Brief danken. Es ist sehr liebenswürdig, daß Du auf meine vielleicht nur allzu oft wiederholte Klage eingehst und, in aller Gütigkeit gegen mich, doch schließlich alles aus meinen eignen Fehlern und Schwächen, großen und kleinen, erklären willst. Es hilft mir nun mal nichts; es mag liegen, wie es will, das Ende vom Liede bleibt doch immer, daß ich unrecht habe. Mal sagst Dus freundlich, mal unfreundlich, aber es bleibt immer das­selbe. Streite ich mit dem dümmsten Menschen über Kunst, schreibt mir wer einen anzüglichen Brief, findet wer meine Kritik zu scharf, meine Bücher zu langweilig Du sekundierst immer meinem Gegner. Diesmal meinst es sehr gut, aber es wird dadurch nicht richtiger. Ich bin kühl, nicht sehr aufmerksam, etwas rechthaberisch, etwas pedantisch und viel breiter und gründlicher, als die Menschen lieben. Es ließe sich über alle diese Dinge schließlich auch noch sehr streiten, aber ich will sie mal ohne weiteres gelten lassen; ich sage nur einfach, sieh Dir die andern an. Denkst Du denn, daß mich Zöllners 13 Urteile über Bücher, die er nicht gelesen hat, besonders interessieren? Glaubst Du denn, daß es eine Freude für mich war, unsern alten Richard 14 über seine unendlichenSitzungen perorieren oder eine Onkel Ungersche Anekdote zum 20. Mal vortragen zu hören! Denkst Du denn, daß es mir nicht eine Tortur ist, unsren Heyden, wenn er mit Macbeth oder Hamlet beginnt, sofort bei seinen Walküren oder demOluf 13 ankommen zu sehn. Von den viel matteren Pilgern der Gesellschaft denn dies sind die glänzenden Nummern will ich gar nicht erst sprechen. Aber hast Du je ein Zeichen der Un­geduld bei mir wahrgenommen? Zum Donnerwetter, wer sind all die lieben Leute, daß sie den Anspruch erheben können, meine Aufmerksam­keit fordern zu dürfen, während sie mir die ihrige, nach Laune, versagen oder gewähren? Du weißt recht gut, daß ich, mit alleiniger Ausnahme

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