ließ die Damen ihrem Schicksal, was mich etwas überraschte. Er will seine Stellung auf geben. Ich find es ganz in der Ordnung; er ist ein Wrack und kann solchen Dienst nicht mehr leisten. Vielleicht hat man ihm auch einen Wink gegeben. — Auf die „Ahnfrau“ haben die Berliner nicht recht angebissen 27 ; es war auch eine sonderbare Pfingst-Uberraschung; eine Frau wurde ohnmächtig, ein Mann vom Schlage getroffen. Kein Wunder; den Schluß bildet eine Mondschein-Gruft mit 9 Prachtsärgen; aus einem erhebt sich, völlig geisterhaft, die „Ahnfrau“. Das war zu viel. Der Mann im Parquet fiel um. — Also morgen H.s Geburtstag. Theo hat vom 13. bis 23. sechs Geburtstage zu besorgen. Er tut mir leid. Morgen schick ich Dir meinen Pantenius-Aufsatz 28 mit der Bitte, ihn abzuschreiben. Alles grüßt aufs herzlichste. Am meisten Dein
Th. F.
Anmerkungen
1 Das Original von Emilie Fontanes Brief vom 11. Juni 1878 wird im Theodor- Fontane-Archiv aufbewahrt (B 315), wo sich einst auch die Handschrift des Fontane-Briefes vom 12. Juni 1878 befand. Sie gehört zu jenen Materialien, die in Diebeshand gerieten und seit Jahren auf dem Autographenmarkt in der BRD wieder auftauchen. Der vorliegende Brief, gekürzt veröffentlicht in den „Briefen an die Familie“, Band 1, S. 255, wurde im Februar 1973 in Marburg versteigert (vgl. Fontane-Blätter, Bd. 3, Heft 1, S. 78). Unser Text folgt einer Abschrift, über die das Theodor-Fontane-Archiv unter der Signatur Ba 664 verfügt.
2 Fontanes Brief vom 10. Juni 1878; in: Fontanes Briefe in zwei Bänden, ausgewählt und erläutert von Gotthard Erler, Berlin und Weimar 1968, Bd. 1, S. 454 ff.
3 Zugunsten der Unterstützungskasse des Vereins „Berliner Presse“ wurden am 8. Juni Stücke von Gensichen, Granichstädten und Schneider in den Inszenierungen dreier Berliner Theater aufgeführt. Die Vorstellung war kaum besucht, und vor allem fehlten die Pressevertreter (worüber sich Fontane in seiner Besprechung in der Vossischen Zeitung mokierte).
4 (engl.) mach dir nichts draus.
5 Der Berliner Maler und spätere Professor für Kostümkunde August von Heyden (1827-1897), mit dem Fontane Jahrzehntelang befreundet war, feierte seinen 51. Geburtstag.
6 (engl.) auf die Dauer.
7 Der Berliner Schriftsteller, Publizist und Zeitschriftenherausgeber Paul Lindau (1839-1919).
8 Fontane hatte in seinem Brief vom 10. Juni geschrieben: „Man würde mir die Stellung, die ich verlange, auch einräumen, wenn ich in einer ansehnlichen Lebensstellung wäre. So klingt das .arme Luder* immer mit. Nur unter ganz Fremden ergeht es mir besser.“
9 Peinlichkeit.
10 Fontanes Brief vom 8. Juni 1878; in: Briefe in zwei Bänden, a. a. O., Bd. 1, S. 452 ff.
"I H (franz.) der Stil. Anspielung auf Fontanes Brief vom 10. Juni 1878, in dem Buffons Satz „le style c’est l’homme“ (der Stil ist der Mensch) zitiert wird.
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