Sie kann freilich nicht verhindern, daß der alte Graf sich über sie lustig macht und sie verhöhnt. Das beste Beispiel ist die Wohnungseinrichtung, die er ihr an einem Vormittag von einem Trödler mit dem Handwagen ins Haus fahren läßt. Sie ist nach dem Motto zusammengestellt, daß „die Welt erfahre, wer Pauline Pittelkow eigentlich sei.“ (247) Doch selbst an diesem äußersten Punkt offenkundigen Hohns wird ersichtlich, daß in den schlimmsten Spott Huldigung mit einfließt, denn es bleibt bei dem, was der Graf vorbringt, ein Quentchen Ungewißheit darüber, ob die Einrichtung nicht letztlich dem als adäquat empfunden wird, was die Pittelkow unter anderen Verhältnissen sein könnte, wobei es ja übrigens auffällt, daß es der Pittelkow, nach den Worten Fontanes, gelingt, das Disparate der zusammengewürfelten Einrichtung durch ihren Ordnungswillen und Geschmack so zusammenzufügen, daß „momentan übersehen“ werden kann, „wie sehr ... sich die hier aufgestellten Sachen untereinander widersprachen.“ (246)
Wirklich sieht sich der Graf zu vielfältiger Rücksichtnahme auf die schöne Freundin genötigt, und wo er, zum Ärger der Pittelkow, einen „Bestimmtheitston“ anschlägt, der einen Herr-im-Haus-Standpunkt andeutet, wird dieser Ton „ungewöhnlich“ genannt (249), und Fontane läßt keinen Zweifel daran, daß die „verschnupfte“ Witwe bei passender Gelegenheit zum Gegenschlag ausholen wird. Das wiederholt sich mehrfach, und wenn man schließlich nach einer Szene oder einem Bild sucht, in dem Graf und Witwe ihr Verhältnis auf die angemessenste Weise darstellen, so wird man auf das Ende des 5. Kapitels sehen, wo der Gesellschaftsabend bei der Pittelkow sein Ende findet. Während Wanda Grützmacher so laut, daß es durch alle Stockwerke tönt, ihr Lied singt: Ist mir nichts, ist mir gar nichts geblieben,
Als die Ehr und dies alternde Haupt“ hat sich die Pittelkow „hinter den Stuhl des alten Grafen gestellt und schlug mit ihrem Zeigefinger den Takt auf seiner kahlen Kopfstelle.“ (259) Mit der besonderen Ehre des alternden Grafen ist das kaum vereinbar, aber das Verhältnis des merkwürdigen Paares ist doch an keiner Stelle so gezeichnet, daß man aus dem Verhalten der Pittelkow hier eine unangemessene Vertraulichkeit zu erkennen vermöchte. Sie nimmt sich nichts heraus, sondern verfährt nach Maßgabe der in diesem Verhältnis gültigen Normen. Sie weiß sich auf „ihren“ Grafen angewiesen, aber ihr Selbstgefühl läßt den Gedanken nicht zu, daß dieser Graf seine materielle Überlegenheit sollte ausspielen dürfen, wo es um ihre menschlichen Grundbelange geht. Als Stine vom Begräbnis des jungen Haldern zurückkommt und die Pittelkow einen Augenblick das Gefühl hat, der schlimme Zustand der Schwester könne seine Ursache haben in einer verächtlichen Behandlung durch den alten Grafen, reagiert sie unmißverständlich: „Na, dann erlebt er was, dann jag’ ich ihn zum Deibel.“ (312) Das entspricht ihrer wahren Selbsteinschätzung: nirgends begegnet der Leser bei ihr einer aus Klugheit und Berechnung stammenden Servilität, vielmehr meint man angesichts des Redens und Agierens der beiden Kontrahenten einen immerzu anhaltenden Konflikt
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