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aber doch eigentlich nur was Feines für die Vornehmen und Reichen .. (65)
Schließlich macht Fontane noch auf eine künstlerisch höchst überzeugende Weise die Sonderstellung der Pittelkow sichtbar. Unter all den Einrichtungsgegenständen, die ihr der Graf in die Wohnung hatte karren lassen, befand sich auch ein Trumeau, offenbar ein kostbares Stüde: „... ein prächtiger Trumeau mit zwei vorspringenden goldenen Sphinxen.“ (246) Der Zufall der Sitzordnung anläßlich des „Gesellschaftsabends“ will es, daß ausgerechnet die Witwe dem Trumeau gegenübersitzt, so daß sie sich bei jedem Aufblick im Spiegel sieht. Der alte Graf, diesen Umstand wahmehmend (man weiß nicht recht wie, denn nach der gegebenen Beschreibung sitzt er mit dem Rücken zum Spiegel, doch läßt Fontane die Ungenauigkeit durchgehen), macht mit seinem Zuruf: „Ehre, dem Ehre gebührt!“ (249) die Funktion des Spiegels deutlich: er dient der Eitelkeit, der fortgesetzten Selbstbestätigung der eigenen Schönheit. Daß er nicht in die Welt der Pittelkow gehört, zeigt ihre Antwort, die freilich noch halb vom Zufall bestimmt erscheint, denn sie gefällt sich nur „heute in der Ablehnung solcher Huldigungen“ (249): „Jott, Ehre! Mir ist nichts jräßlieher, als immer meine Visage sehen.“ Der Graf versucht, mit einer Mischung von Selbstverspottung und Eitelkeit ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: „Dann bitt ich meine schöne Freundin, ihren Augenaufschlag etwas niedriger zu richten, sie sieht dann mich.“ Das belustigte die Pittelkow indessen nur, und der Dichter benutzt die Gelegenheit, ihr Selbstgefühl ironisch-heiter aufblitzen zu lassen: „Da bin ich doch lieber fürs Gewesene. Da bin ich doch noch lieber für mich.“ Mit herausfordernder Schlagfertigkeit bekennt sie sich zu ihrem eigenen Spiegelbild, das ihr immer noch lieber ist als die Wirklichkeit des gräflichen Gönners. Es macht diesen sympathisch, daß er von ihrer selbstbewußten Antwort entzückt ist, deren Witzigkeit auf seine Kosten geht, aber die Pittelkow gewinnt in dieser Szene noch mehr als er: Der Graf, der ihr mit einem Anflug von Hohn den scheinbar unangemessenen Prachtspiegel in die Wohnung stellte, muß erleben, daß sie sich zu ihrem Spiegelbild bekennt und damit die Unangemessenheit des Prunkstücks aufhebt. Sie füllt mit ihrem ungebrochenen Selbstgefühl jeden Raum und jeden Spiegel.
Diese Betrachtung bleibt indessen unvollkommen, wenn man zu erwähnen unterläßt, daß diesem Spiegel in der Wohnung der Pittelkow ein anderer Spiegel in SLines Zimmer entspricht. Es ist ein Außenspiegel, der es ermöglicht, vom Zimmer aus das Geschehen in der Invalidenstraße zu verfolgen. Man sieht, ohne gesehen zu werden; man bedient sich des Spiegels ..nicht aus Eitelkeit“, „sondern aus bloßer Neugier und Spielerei.“ (240) Und die Pittelkow, die nach den vielen Besuchen bei der Schwester wohl vertraut ist mit dem Spiegel, ist immer neu fasziniert von ihm. Sie gibt sich dem Genuß des Sehens hin, bis Stine ihr die Augen zuhält. Die Begründung der Pittelkow wurde oft zitiert: .un wenn ich in den Spie
gel kucke und all die Menschen und Pferde drin sehe, dann denk ich, es Ls doch woll anders als so mit bloßen Augen. Un ein bißchen anders is es auch. Ich glaube, der Spiegel verkleinert, un verkleinern is fast eben-
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