Heft 
(1974) 18
Seite
123
Einzelbild herunterladen

sogut wie verhübschen. (240) Schon Maximilian Harden hat gemeint, daß sich in diesen Worten etwas von Fontanes eigener Kunstpraxis verrate, denn auch er sehein solch einem verkleinernden und verhübschenden Spiegeldie bunte Welt. 18 Zuvörderst aber verrät sich in der Vorliebe der Witwe (eine Vorliebe, die später von Waldemar geteilt wird, der auf diese Weise eine reizvolle Aufwertung erfährt) doch ihre naiv-lebensvolle Hinneigung zur Außenwelt. Neugier und der Hang zur Spielerei sind ihr Lebenselement, nicht eitle Selbstbespiegelung und unfruchtbarer Narziß­mus. Fühlt sie sich dem Spiegel aber wirklich auch deshalb verbunden, weil er eine verkleinerte und deshalb hübschere Welt zeigt, so sprechen sich darin doch wohl weniger Fontanes künstlerische Grundsätze aus als vielmehr das Verlangen der Pittelkow nach einer besseren Welt, in der sie leben könnte, wie es ihrem wahren Wesen entspricht. Und ihr wahres Wesen gründet ganz aufWirtschaftlichkeit und Ordnung (246). Es wäre eine helle und nüchterne Welt, die die Pittelkow zu der ihren machen würde. Doch schließlich was weiß der Leser von den Entfaltungsmög­lichkeiten, die diese Frau unter anderen Verhältnissen besäße? In der Welt, die nun einmal die ihre ist, hebt Fontane sie empor zu einer Unabhängigkeit und einem Selbtwertgefühl, die er keiner anderen Gestalt in den folgenden Werken wieder einräumt.

Anmerkungen

1 Theodor Fontane, Briefe. 2. Sammlung, Bd. 2, (1910), S. 249.

2 Vgl. Hermann FriCke, Theodor Fontane, Chronik seines Lebens. Berlin 1960, S. 63 f.

3 Theodor Fontane, Briefe, (1910), Bd. 2, S. 144.

4 Fontanes Briefe in zwei Bänden. Berlin 1968, S. 201 f.

5 ebd., S. 167.

6 Ob Richard Brinkmann diese Briefstelle Fontanes im Ohr hatte, als er in seinen etwas unglücklich gerafften Äußerungen zuStine der Heldin die DiagnoseSchwindsucht stellte, bleibt dahingestellt. Die innere Ökonomie des Romans würde jedenfalls durch eine solche Annahme zerstört. Siehe Richard Brinkmann, Theodor Fontane, München 1967, S. 76.

7 Theodor Fontane, Briefe, (1910), Bd. 2, S. 251.

8 Zuletzt kommt Ingrid Mittenzwei in ihrem an sich sehr einsichtsvollen Fontane- buCh zu der Feststellung, daßStine als Kommentar zuIrrungen, Wirrun­generreichte Positionen wieder aufgibt. Siehe Ingrid Mittenzwei, Die Sprache als Thema - Untersuchungen zu Fontanes Gesellschaftsroman, Berlin 1970, S. 111.

9 Theodor Fontane, Briefe, (1910), Bd. 2, S. 251 f.

10 Theodor Fontane, Sämtliche Werke. Bd. 20, München 1962, S. 630.

11 Alle Zitate ausStine undIrrungen, Wirrungen im folgenden mit der Seitenzahl nach der Ausgabe der Nymphenburger Verlagshandlung München. Bd. 3.

12 Theodor Fontane, Briefe. Bd. 2, (1910), S. 156.

123