Heft 
(1974) 18
Seite
129
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blutigen Ehrenhandel zu einer Schlacht, die gewöhnlich in ein Schlach­ten ausartet. Effektvoll, anekdotenreich und spannend berichtet Fontane, und er scheut sich nicht, immer wieder seinen Hauptgewährsmann Scott zu bemühen, ja er erzählt ausdrücklich einige von dessen Epen und Romanszenen in eigener Version nach oder legt sie einem der Führer in den Mund.

Auf diese Weise wertet er unansehnliche Schauplätze poetisch so an­schaulich auf, daß der Leser sich tatsächlich in die graue Vorzeit zurück­versetzt und nicht wenigromantisch berührt fühlt. Nicht zufällig steht Abbotsford am Schluß des Buches. Das Schloß verdrießt ihn zwar, aber es bleibt doch die Stätte,wo der Wunderbaum der Romantik seine schönsten und vor allem seine gesundesten Blüten trieb. Dieses Bekennt­nis zu einergesunden Romantik ist eine der Quintessenzen der Reise nach Schottland, das Fontane in diesem Sinne für das Mutterland echter, weil geschichtsbezogener Romantik hielt.

Diese bemerkenswerte Romantikkonzeption schützt Fontane auch vor einem sentimentalen Verhältnis zu den alten Gestalten, die er ja keineswegs unbesehen idealisiert. Er weiß sehr wohl jene Dutzende vonClanschlachten der Rinder und Schafe stehlenden MacGregors, die anachronistische Clanordnung der Hochlande, die sinnlosen Tapfer­keiten, die Rauflust und das überempfindliche Ehrgefühl der Häuptlinge richtig einzuordnen. In einem Vortrag, den Fontane am 8. Februar 1860 in Berlin überDas schottische Hochland und seine Bewohner hielt, rückte er den Clansleuten übrigens noch wesentlicher kritischer auf den Leib. Er apostrophierte sie unumwunden alsRaubgesindel, gab wei­tere Beispiele für dieAuswüchse und Überschreitungen eines roman- tisch-chevaleresken Geistes und bezeichnete die Raufereien um Macht und Ehre zwar als poetisch, aber als historisch völlig gleichgültig. So schroff urteilte er inJenseit des Tweed nicht, und vielleicht war diese unterschiedliche Akzentuierung eine Ursache dafür, daß dieser Vortrag nicht ins Buch einging. Immerhin aber referierte Fontane inJenseit des Tweed genugAkte raffinierter Bosheit, in denen sich die Clans­leute als Blutsbrüder jenerSeräuber zu Lande zu erkennen geben, als die Fontane wenig später in seinenWanderungen durch die Mark Brandenburg märkische Junker darzustellen beginnen wird.

In den Zusammenhang solcher historischer Berichte ordnen sich auch die scheinbar nebensächlichen Betrachtungen über zeitgenössische Vorgänge ein. Sogleich im ersten Kapitel fällt die Erwähnung eineralten Lady in Trauer auf, die Fontane als die Witwe eines gerade in Indien gefal­lenen Kolonialoffiziers identifiziert, derihr einen geachten Namen und nichts weiter hinterlassen habe. Die kühle Distanz erklärt sich aus Fontanes sympathisierender Haltung zum Sepoy-Aufstand, der gerade in jenen Monaten die britische Herrschaft in Indien ernsthaft erschütterte. Ähnlich beiläufig bringt Fontane unmittelbar darauf über den Kellner in Johnstons Hotel den Befreiungskrieg des spanischen Volkes gegen Napoleon ins Spiel und bereitet damit das Stichwort Waterloo vor, das als Symbol einer historischen Entscheidungsschlacht leitmotivisch wieder-