Heft 
(1974) 18
Seite
131
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Von Edinburg bis Stirling), die man als Hinweis auf die schon konzi­piertenWanderungen durch die Mark Brandenburg überaus ernst ge­nommen hat.

Gewiß, Fontane empfand sich damals mit schlechtem oder zumindest beunruhigtem Gewissen als einen Konservativen, und er schrieb 1860 sogar an seine Mutter:Wer den Adel abschaffen wollte, schaffte den letzten Rest von Poesie aus der Welt. Seit er Ende 1849 die Apotheker­waage mit der Feder des Publizisten vertauscht hatte, stand er in den journalistischen Diensten der konterrevolutionären Manteuffel-Regierung, die ihn 1852 und dann noch einmal 1855 als Korrespondenten nach Eng­land schickte. Von 1860 bis 1870 redigierte er denenglischen Artikel in der stockkonservativenKreuzzeitung in Berlin. Bismarcks Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 sahen ihn als Berichterstatter, und in allen jenen Jahren wanderte er zugleich durch die Mark Brandenburg und beschrieb Land und Leute mit liebevoller Hand. Ein williger, unkritischer Mit­läufer ist Fontane aber auch in dieser Zeit nie gewesen, und die Klagen über Preußenspoplige Unteroffizierswirtschaft verstummen nie, ja sie werden der Keim für die Entfremdung vom Adel, für die Kritik an Preußen, die dann seit den achtziger Jahren das erzählerische Werk Theodor Fontanes vonSchach von Wuthenow überEffi Briest bis zumStechlin bestimmen. Ihm, demVerherrlicher alles Märkischen, wurdealles Märkische so schrecklich, und er orientierte sich stärker und stärker auf denkleinen Mann und fand schließlich, daß alles In­teresse nur noch beimvierten Stand ruhe.

Im Zeichen dieser späteren Entwicklung verblaßt die genannte Preußen- Stelle inJenseit des Tweed, und nicht der gelegentliche Blick Fon­tanes von der Forth-Landschaft nach dem heimatlichen Havelland stellt die eigentliche Beziehung zwischenJenseit des Tweed und denWan­derungen her, sondern die Technik der historischen Reportage, die Mache des Reisefeuilletons, die Fontane inJenseit des Tweed er­probte, um sie in seinenWanderungen erfolgreich fortzuführen.Jenseit des Tweed war eine wichtige Fingerübung für den angehenden Reise­schriftsteller Fontane, und die Reisejournalistik sollte ihrerseits zur ent­scheidenden Voraussetzung für den Erzähler werden, der als Reporter seinMetier beherrschen lernte und überdies die vielfältigsten An­regungen für seine Romane aufstöberte. Dies bezeichnet den Stellenwrt vonJenseit des Tweed in Fontanes Gesamtwerk.

Im Schottland-Buch ist der spezifischeWanderungen-Stil schon stark vorgeprägt: vom oft humoristisch gewerteten Eindruck der jeweiligen Reisestation leitet Fontane über eine einprägsame Landschaftsschilderung zielstrebig in die historische Anekdote, schließlich in Geschichte und Sage direkt über. Dabei gleitet die Darstellung ins Feuilletonistische, die Be­schreibung wird in die Erzählung aufgelöst und erschließt neue Möglich­keiten der Aussage. So erhält beispielsweise die Begegnung mit dem englischen Ehepaar auf dem Dampfer, die zunächst auf einen unverbind­lichen Spott auf das verdrießliche, ungleiche Paar angelegt scheint, durch das sozialkritische Lied von Robert Bums, das er den blinden Fiedler