bemerkenswerte Kapitel erweitern konnte. Diese beiden Texte — „Lochleven-Castle“ und „Das schottische Hochland und seine Bewohner“ — waren der Fontane-Forschung zwar- geläufig, galten aber, da sie nicht in „Jenseit des Tweed“ abgedruckt worden waren, sozusagen als „Abfallprodukte“. Sie hätten, so meinte man, die Komposition des Buches gestört und seien deshalb weggeblieben. Nachdem ich jedoch die unveröffentlichten Briefe Fontanes an den Verleger der Erstausgabe, Julius Springer, geprüft hatte (deren Originale im Archiv des Julius-Springer- Verlages ich nicht einsehen konnte, da der Verlag eigene Publikationspläne hat, deren Abschriften mir aber das Theodor-Fontane-Archiv freundlicherweise zugänglich machte), konnte ich mich dieser Meinung nicht länger anschließen.
Die Briefe an Springer aus dem ersten Halbjahr 1860 beweisen nämlich, daß Fontane beide Aufsätze von vornherein für das Buch bestimmt hatte und sie nur durch unglückliche, vom Autor nicht zu beeinflussende Umstände nicht aufgenommen wurden! Dabei war Fontane bei dem Kapitel „Das schottische Hochland und seine Bewohner“ ein wenig unsicher, da es, als Vortragsmanuskript niedergeschrieben, nicht recht zum Berichtsstil der übrigen Abschnitte paßte und, wie oben gezeigt, auch abweichende und schärfere Akzente setzte. Fontane teilte am 12. März 1860 Springer mit, daß er die Aufnahme des „Einschiebsel- Aufsatzes“ von „dem Umfang des Buches abhängig machen möchte“. Auch im Brief vom 15. März versieht der Autor einen Hinweis auf den „Hochland“-Aufsatz mit einem „vielleicht“; immerhin aber taucht er in den erhaltenen Inhaltsverzeichnissen auf. In der neuen Ausgabe von „Jenseit des Tweed“ steht er daher nur im Anhang. Dagegen haben wir den Beitrag über „Lochleven-Castle“, der auch formal eines der schönsten Schottland-Bilder bietet, wieder dort eingeschaltet, wo er nach Fontanes Absicht immer seinen Platz haben sollte: als drittletztes Kapitel vor „Melrose-Abbey“. Ein großer Teil der Briefe an Springer beschäftigt sich mit diesem Text, der bereits im Dezember 1859 in der Wiener „Presse“ publiziert worden war. Fontane hatte das einzige Manuskript, das er noch besaß, an Springer geschickt, und dort muß es wohl abhanden gekommen sein. Fontane beteuert mehrfach, er wisse genau, daß er das Manuskript, „mit Dinte geschrieben“, zusammen mit dem „Linlithgow“-Abschnitt in einem Heft der „Berliner Revue“ abgeliefert habe. Noch im Mai 1860, als der Satz schon begonnen hatte, versuchte Fontane, wenigstens ein Exemplar des Vorabdrucks in der „Presse“ als Vorlage beschaffen zu lassen; aber die Bemühungen kamen zu spät. Am 14. Mai 1860 heißt es in einem Brief an Springer: „Übrigens klag ich niemand deshalb an; ist das M. S. verlorengegangen, so ist es ein kleines Malheur — und zwar nur ganz persönlich für midi, denn für den Erfolg des Buches ist es gleichgültig -, was man tragen muß.“
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