nebensächlich ist, wenn nichts drin steckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache ..(S. 83—84). 1 Der Zweck dieses kleinen Beitrages ist es, eine derartige „nebensächliche“ Episode aus eben diesem Werk zu untersuchen, um festzustellen, „was drin steckt“.
Die in Frage kommende Episode befindet sich fast genau in der Mitte des Romans — wenn man nach Textseiten und nicht nach der Uhr rechnet —, zur Zeit also, wo Leopold, der jüngere Sohn der Hauptfigur, Frau Kommerzienrätin Treibei, von der gesprächigen lebhaften Tochter Professor Schmidts schon eingenommen ist. Fontane beschreibt jetzt einen der regelmäßigen Spazierritte Leopolds nach Treptow, wo der vorgebliche Held in der üblichen Gaststätte Erfrischungen zu sich nimmt. Da er Stammgast ist, der mit dem Kellner Mützell auf vertraulichem Fuße steht, aber seine Mutter dem Etablissement schon im voraus ihre Anweisungen erteilt hat, was ihrem Sohn gegeben werden darf, serviert man Leopold ohne weitere Erklärung eine kleine Tasse Kaffee und ein großes Glas Milch. Nachdem er die Tasse Kaffee in einem Zug geleert hat, beschließt er, eine zweite zu bestellen, muß aber von seinem Freund Mützell erfahren, daß die Mutter dies aus gesundheitlichen Gründen strengstens verboten hat. Trotz längeren Protestes verzichtet Leopold auf den weiteren Kaffee und trinkt die Milch.
Nicht der Rede wert! möchte man vielleicht meinen. Wenn man jedoch die Sache näher untersucht, entdeckt man, daß diese anscheinend unbedeutende, entbehrliche Episode in knappster Form einige wesentliche Gedanken des gesamten Romans bringt.
Zunächst symbolisiert sie das ganze Verhältnis zwischen der Kommerzienrätin und ihrem Sohn und damit auch einen besonders wichtigen Zug in ihrem Wesen. Als Leopold von den Anweisungen seiner Mutter erfährt, klagt er vor sich hin:
Aber sie muß immer die Fäden in der Hand haben, sie muß alles bestimmen, alles anordnen, und wenn ich eine baumwollene Jacke will, so muß es eine wollene sein... Helene weiß alles besser, Otto weiß alles besser, und nun gar erst die Mama. Sie möchte mir am liebsten vorschreiben, ob ich einen blauen oder grünen Schlips und einen graden oder schrägen Scheitel tragen soll. (S. 118)
Was uns Leopold hier vorstellt, ist zweifellos ein Bild der gleichen Jenny, die trotz ihrer Erklärung, daß sie „einen Menschen aus ihm machen möchte“ (S. 103), immer die erste ist, die jedes Zeichen von Selbständigkeit, besonders in ehelicher Hinsicht, im Keime erstickt. Daß sie seine Getränke bestimmt, ist typisch für die Behandlung Leopolds durch den ganzen Roman hindurch.
Das ließ sich aber von dieser Szene behaupten, gleichviel, um welche Getränke es sich handelte. Hätte sie Leopold etwa mehr als ein Glas Bier verboten und ihm statt dessen Tee vorgeschrieben, so würde das nichts Neues zu unserer Auffassung der Hauptfigur beitragen. In Wirklichkeit ist aber die Beschaffenheit der Getränke, besonders der Milch, ein wesentliches Moment in dieser Szene, weil sie die eindrucksvollste