und der realistische Charakter seines Schaffens hervorgehoben. Uber „L'Adultera“ wird gesagt, daß es sich „um einen realistischen Roman im vollen Sinne des Wortes“ 3 handele. Die Aktualität der Problematik von „Irrungen-Wirrungen“ wird unterstrichen. Der unbekannte Verfasser verteidigt Fontane vor den Angriffen der offiziellen deutschen Kritik, die diesen Roman für „unmoralisch“ erklärt hatte. Der besondere Wert des Buches wird in der Wirklichkeitstreue der scharf gezeichneten Bilder aus dem Großstadtleben gesehen: „Das Werk trifft den Nagel auf den Kopf.“ Fontanes Bücher über den französisch-preußischen Krieg streifend, stellt der Verfasser fest, daß dem Dichter jeglicher Chauvinismus abgehe. Am meisten wird jedoch — und das ist sicher durch die spezifische Thematik der Zeitschrift bedingt — das Buch „Meine Kinderjahre“ gewürdigt, von-dem es heißt, es sei „vielleicht das Beste, was Fontane geschrieben hat“/ 1 Fontanes ausgezeichnete Herausarbeitung der geistigen und seelischen Haltung' eines Heranwachsenden und seine Skizzen aus dem Leben einer deutschen Provinzstadt beeindruckten den Verfasser; er schrieb: „Fontanes Farben sind kräftig wie in früheren Jahren, die Konturen kühn und abgerundet, die Gedanken originell, die Sprache kraftvoll und expressiv.“ Ein wichtiger Grund für diese positive Beurteilung war das in Rußland so außerordentlich beliebte Genre von „Meine Kinderjahre“, — handelte es sich doch um ein Buch über die eigene Jugend; dafür hatten Lev Tolstoj und S. Aksakov klassische Vorbilder gegeben.
In der Novembemummer der Zeitschrift „Vestnik inostrannoj literatury“ (Der Bote für die Literatur des Auslands) erschien 1898 von einem unbekannten Verfasser ein Nekrolog auf Fontane, in dem es hieß, daß der Dichter sich bis ans Ende seiner Tage „Lebensfreude und geistige Regsamkeit“ bewahrt habe. 5 Fontanes Lebens- und Schaffensweg wird dargelegt; als hervorstechendster Zug seines Gesamtwerkes wird sein Humanismus bezeichnet: „er liebte die Menschen und verstand es, das Poetische im alltäglichen Leben zu erkennen und dies seinen Zeitgenossen voller Wärme vorzuführen.“ 6 An den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ werden die ethnographische Genauigkeit und der Reichtum an historischem Wissen hervor gehoben. Das allzu Ausgedehnte und Fragmentarische des Romans „Vor dem Sturm“ wird gestreift, doch vermochte der Autor des Nekrologs die Bedeutung dieses ersten Romans für die weitere Entwicklung des Schriftstellers richtig einzuordnen : „... in diesem fruchtbaren Schlamm liegen die Keime seiner späteren Entwicklung.“ 7 „L’Adultera“, „Cecile“ und „Effi Briest“ werden unterschätzt, da die Problematik dieser Romane nur im Ehebruchsthema gesehen wird. Eine versöhnende Tendenz wird festgestellt, so daß es zum Schluß heißt, Fontane sei ein „trostbringender Poet“, der „einen wichtigen Platz in der pessimistischen Literatur zu Ende des Jahrhunderts einnimmt,“ — eine Schlußfolgerung, mit der man gewiß nicht einverstanden sein kann.
Auch hier werden Fontanes demokratische Anschauungen und seine Ablehnung jeglichen Chauvinismus hervorgehoben. Der Autor weist
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