Heft 
(1975) 22
Seite
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Manfred Gill (Letschin)

Theodor Fontanes Aufenthalte in Letschin

... dann begab ich mich zu meinen Eltern aufs Land ..., l dieser von Fontane so allgemein umschriebene Ort war Letschin, das stattliche Dorf im Oderbruch, eine halbe Tagesreise östlich vor den Toren Berlint gelegen. Letschin stand den Städten Neuruppin und Swinemünde, den ersten beiden Stationen der Familie Louis Henry Fontane, an Größt' und Bedeutung nach. Das Dorf hatte kleinstädtischen Charakter. Irr Zuge der Separation hatten die Bauern Ende des 18. Jahrhunderts den Ort verlassen und sich auf ihren Feldern, den Loosen, rund um das Dorf angesiedelt. Im Dorf wohnten und arbeiteten nur noch die kleinen Handel- und Gewerbetreibenden und zu ihnen gesellte sich im August 1838 die französische Refugiefamilie Fontane. Als neue Wohn- und Arbeitsstätte erwirbt L. H. Fontane die im Nordteil des Ortes gelegene dörfliche Apotheke. 2

Das auf dem jetzigen Grundstück der Familie Wiesicke gelegene Ge­bäude war ein altes und für Oderbruchverhältnisse stattliches Haus.

Es hatte, wie im Oderbruch früher üblich, gebrochene Giebel und im roten Ziegeldach befanden sich 3 kleine Mansardenfenster. 8 große Fenster und die Ladentür bildeten die Vorderfront des Hauses. Neben der Ladentür lud eine grüne Bank zum Verweilen.

Unter jedem Fenster war ein grünes Schild angebracht, auf dem zu lesen stand, was es außer Medizin noch zu kaufen gab, so Coffee und Toback, Seifen und Pfeifen, Salben und Tee. 2

Dey junge Theodor erlebte die Umsiedlung der Eltern und Geschwister von Swinemünde nach Letschin nicht unmittelbar, da er sich zu dieser Zeit in Berlin befand. Mit großer Wahrscheinlichkeit unterhielt er aber sehr enge Beziehungen zu seinem Elternhaus. Wie intensiv der Brief­wechsel zwischen all seinen Aufenthaltsorten und Letschin war und wie oft Theodor Fontane selbst in der väterlichen Apotheke weilte, läßt sich heute nicht mehr exakt ermitteln. Fast das gesamte Quellenmaterial, das darüber Auskunft geben könnte, ist vernichtet worden, ein großer Teil bereits in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als Fontane als Korrespondent Berliner Zeitungen nach England ging/ 1 Übrig blieb ein kleiner Letschinnachlaß, den der Sohn Friedrich Fontane dem Oderbruchheimatforscher Ernst Tietze schenkte. Herr Ernst Tietze, zu dieser Zeit Lehrer in Neuhardenberg, heute Marxwalde, Kreis Seelow, übergab den Nachlaß dem Museum der Stadt Müncheberg TVIark. Im Verlauf der überaus schweren Kriegshandlungen, die 1945 in Münche­berg tobten, wurde auch das Museum der Stadt völlig zerstört und das Inventar vernichtet. 5

Anhaltspunkte für eine Verbindung Fontanes zur Gemeinde Letschin und zu seinem Elternhaus bieten heute nur noch einige erhalten geblie­bene Briefe, die Zeugnisse seines Vaters, Randnotizen in seinen Manu-

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