Heft 
(1975) 22
Seite
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Wie und in welcher Form, ob im beiderseitigen Einverständnis, das werden wir wohl nie erfahren, auch nicht, wer der Initiator der ver­längerten Letschiner Dienstzeit war.

Nach 9jähriger Trennung traf Theodor Fontane im Sommer 1844, als ei­serne Militärzeit in Berlin ableistete, seine alte Jugendliebe, Emilie Rouanet-Kummer, wieder. Sie, 1824 bis 1902, damals 19jährig und er 25jährig, verlobten sich iy 2 Jahr später am 8. Dezember 1845. Nachdem Theodor Fontane sich bei seinen zukünftigen Verwandten vorgestellt hatte, erfolgte ihr Gegenbesuch in Letschin, bei dem sie von den Eltern und Geschwistern Theodors wohlwollend empfangen wurde. 17

Das war das Ende des Jahres 1845. Bis zum 30. Juni des folgenden Jahres arbeitete Theodor Fontane noch in der Polnischen Apotheke in der Berliner Friedrichstraße, kehrte dann nach Letschin zurück mit dem festen Vorsatz, endlich sein Examen zu machen, was er knapp 50 Jahre später rückblickend als seineStudien privatim bezeichnet«. 18

Theodor Fontane bestand, wenn auch nicht mit Auszeichnung, sein Examen und erhielt am 2. März 1847 die Approbation alsApotheker erster Klasse. Wo er den Sommer 1847 verbracht hat, ist nicht über­liefert, es ist aber anzunehmen, daß er in Letschin war. In diese Zeit fällt auch die Trennung der Eltern. Die Mutter zieht mit Schwester Elise zurück nach Neuruppin in das Haus Nr. 431, Fischbänkestraße Nr. 8. 19

Der Vater bleibt in Letschin bei Tochter Jenny und Schwager Hermann Sommerfeld. Am 1. Oktober 1847 trat der junge Fontane,ich mußte wieder irgendwo unterkriechen, 2,1 in die ApothekeZum Schwarzen Adler, Berlin, Ecke Neue Königstraße Georgenkirchstraße, ein. Mit der Trennung der Eltern und dem Eintritt in die oben genannte Apotheke, endet auch die Periode der häufigen und langen Letschin-Aufenthalte. Selten nur noch ist Theodor Fontane Gast in Letschin. Brieflich steht er aber weiter mit dem Vater in Verbindung, so auch im März 1848. Am 18. März 1848 bricht in Berlin die bürgerliche Revolution aus, Theodor Fontane erlebt sie unmittelbar mit und am 19., nachmittags, schreibt er einen sehr langen Brief an seinen Vater, den er später so beschrieb:Es wird dies mutmaßlich der erste Bericht über den 18. März gewesen sein, und wenn es nicht der erste Bericht war, der geschrieben wurde, so doch wohl der erste, der in die Welt ging. Es gab nämlich an jenem 19. der noch dazu ein Sonntag war keine Postverbindung, was mich denn auch veranlaßte, meinen Brief direkt nach dem Stet­tiner Bahnhof zu bringen und ihn dort in den Postwagen eines Eisen­bahnzuges zu tun. So kam dies Skriptum am anderen Morgen in dem großen Oderbruchdorfe Letschin, wo mein Vater damals wohnte, glück­lich an. Von den Sonnabendvorgängen in Berlin wußte man dort kein Sterbenswörtchen, selbst das ,Gerücht, das sonst so schnell fliegt, hatte versagt, und so war denn die Aufregung, die mein Brief schuf, un­geheuer. In alle Nachbardörfer gingen und ritten die Boten, um die große Sache zu melden, von der ich nicht weiß, ob sie mit Trauer oder

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