Hauptmann, bis dann nach den Zwischenstationen des Stabreimepos „Hermann“ und des „Schreckens in Knitteln“, eines Gedichts an eine Verwandte, aus dem unbedeutenden poetischen Wirrwarr das erste wirklich klangvolle, gedanklich ausgereifte Gedicht hervorleuchtet, das auch heute noch als bedeutender lyrischer Versuch des jungen Hauptmann gilt: „Ich kam vom Pflug der Erde...“.
Und dann folgt jenes kuriose Ereignis, bei dem der Bildhauerschüler Gerhart Hauptmann 1881 „wegen schlechten Betragens und unzureichenden Fleißes“ von der Breslauer Kunstschule verwiesen und dann zwei Monate später nicht etwa wegen seiner bildnerischen Begabung wieder aufgenommen wird, sondern weil er mit der Vorlesung seines Epos „Hermann“ einen Starken Eindruck auf Mitschüler und Professoren, vor allem Prof. Haertel, gemacht hatte.
Diese ersten größeren Dichtungen Hauptmanns, das Stabreimepos „Hermann“, die Entwürfe „Falkner“, „Conradin“ und auch das Drama „Germanen und Römer“ entsprechen in Inhalt und Form noch weitgehend der Literatur jener Zeit nach den Gründerjahren. Und da sich hierbei erstmals literarische Vergleichsmöglichkeiten anbieten, seien kurz die Wesenszüge jener Zeitepoche skizziert.
Das neue deutsche Reich, 1870,71 durch Blut und Eisen zusammengezwungen, reich geworden durch unerhört hohe Kontributionen, die es aus dem besiegten Frankreich herauspreßte, bedurfte einer entsprechenden Selbstdarstellung in Kunst und Literatur. Berauscht vom allgemeinen Siegestaumel umwob man das Herrscherhaus der Hohen- zollern mit dem Glorienschein der Unfehlbarkeit, der den eben beendeten Raubkrieg als eine schicksalhafte nationale Großtat erscheinen ließ und im übrigen die nun anbrechende Gründerzeit mit ihren Spekulationen und ihrem wirtschaftlichen Barbarismus hinter der Maske der Goldschnittlyrik und der hohlen dramatischen Phrasen verbarg. Felix Dahn und Gustav Freytag schufen in ihren Historienromanen und -Schauspielen ein verfälschtes Bild der Vergangenheit des deutschen Volkes; Wildenbruch, Voss, Heyse und andere sorgten ihrerseits dafür, daß die deutsche Literatur, auf den überholten Formen der klassischen Epoche verharrend, inhaltlich zu einem willfährigen Werkzeug der herrschenden Großbourgeoisie und des preußischen Junkertums wurde, weit davon entfernt, die wahren Probleme und brennenden Fragen der Zeit zur Diskussion zu stellen.
Hauptmanns erste dichterische Versuche, die ja ungeachtet aller schülerhaften Dichterei schon bemerkenswert hoch stehen, sind nichtsdestoweniger noch eng an Inhalt und Form der Gründerzeit-Literatur gebunden. Schon die Titel zeigen, daß auch er dem Hang zur Verherrlichung des Germanentums folgte. Die Anwendung des Stabreims ist auch in diesen Zusammenhang zu stellen. So klingt der „Hermann“ wie eine Freytagsche Episode aus „Die Ahnen“:
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