Wieder gab Hauptmann ein stark naturalistisch gefärbtes Werk: der Bahnwärter Thiel, getrieben von dunklen Mächten und Leidenschaften, denen er keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag, zerbricht daran, daß seine zweite Frau mit ihrer physischen und psychischen Brutalität in seine eigene Welt einbricht, die er sich in seiner einsamen Wärterbude an der Bahnstrecke 'errichtet hat und deren Inhalt ganz von der Erinnerung an seine erste Frau und von der Liebe zu seinem Jungen geprägt ist. Der Tod dieses Jungen, von der Stiefmutter verschuldet, zerbricht das Leben des Bahnwärters.
Die Handlung ist frei erdacht; Motive dazu entnahm der Dichter Gesprächen mit einem Bahnwärter an der Strecke bei Erkner, die auch als meisterhaft gezeichneter Hintergrund des Geschehens stets gegenwärtig ist.
In Erkner stellte Hauptmann 1888 seinen ersten Gedichtband „Das Bunte Buch“ zusammen, hier arbeitete er außerdem an Vorstudien zu einem Jesusroman, die aber erst viel später in den „Narr in Christo Emanuel Quint“ eingeflossen sind; aus seinen Notizbüchern entnehmen wir erste Skizzenentwürfe zu den „Ratten“ und dem „Biberpelz“ und anderen später entstandenen Werken.
Im Sommer 1889, kurz vor Hauptmanns Wegzug aus Erkner, entstand hier noch sein erstes Drama „Vor Sonnenaufgang“, auf das noch nachher einzugehen sein wird. Ihm folgten 1889 90 die Familiendramen ..Das Friedensfest“ und „Einsame Menschen“, die beide Friedrichshagen bzw. Erkner als Kulisse verwenden, ohne daß jedoch die Handlungen irgend etwas mit dem Ort und seinen Bewohnern zu tun haben.
1893'94 folgt dann, nach der Übersiedlung nach Schreiberhau (Slarska Poreba), das Lustspiel „Der Biberpelz“, das noch einmal und am stärksten von allen Werken des Dichters die Erknerzeit des Dichters heraufbeschwört vor dem politisch hochbrisanten Hintergrund des Sozialistengesetzes und des Septennatskampfes. Es erübrigt sich hier, auf die allgemein bekannte Handlung einzugehen, vielmehr sollen die Hintergründe des Werkes und seine Beziehungen zu Erkner dargestellt werden. Hauptmann schrieb dazu: „Ich habe alle Personen des ,Biberpelz* in Erkner kennengelernt“. Die Urbilder fast aller Personen des Stückes konnten in Erkner ermittelt werden. So findet sich das Vorbild zum Rentier Krüger in dem Besitzer der Villa, in der Hauptmann wohnte, dem Rentier Nicolaus Lassen; für Motes hat z. T. der Forstschriftsteller Hermann Hasche Modell gestanden, und hinter Dr. Fleischer und seinem „Philippchen“ verbergen sich unzweifelhaft Hauptmann und sein Sohn Ivo.
Originalgetreu nachgezeichnet und durch Hauptmann selbst einwandfrei als Urbild gekennzeichnet ist jedoch der Amtsvorsteher Oskar von Busse, das Urbild des Wehrhahn. Des Dichters Auseinandersetzungen mit diesem bornierten und im Grunde unfähigen kaiserlichen Paladin, der in Erkner „die höchsten Güter der Nation“, wie er sie verstand, verteidigen zu müssen glaubte, gaben Motiv und Anstoß für die Komödie.
444