Diese hat ihre zweite Hauptgestalt in der diebischen Mutter Weiften. Ihr Modell ist nach Hauptmanns eigener Aussage die schlagfertige, robuste, aber grundehrliche und fleißige Frau Marie Heinze, Waschfrau der Familie Hauptmann. Die dichterische Freiheit, ihrem Konterfei im Stück einen so kriminellen Anstrich gegeben zu haben, hat sie dem Verfasser der unsterblichen Diebeskomödie nie verziehen.
Auch in der so bezeichnten Fortsetzung des „Biberpelz“, der Tragikomödie „Der rote Hahn“, ist die Erknerzeit Hauptmanns allgegenwärtig. Die in diesem Stück der Frau Fielitz zugeschriebene Brandstiftung hat sich tatsächlich in dem Dorf Kienbaum bei Kagel (Grünheide) zugetragen. Moritz Heimann, Hauptmanns Schwager, und der Kageler Dorfschmied Dalibor haben dem Dichter den Stoff mitgeteilt, wofür sie, wie aus Dankbarkeit, von ihm ein literarisches Denkmal gesetzt bekamen in den Gestalten des Dr. Boxer (Heimann) und des Schmieds Langheinrich (Dalibor). In Erkner und seiner weiteren Umgebung spielen auch Teile des Romans „Wanda“ (1928), des Dramas „Herbert Engelmann“ (1928) und des Romans „Atlantis“ (1912). In dem Versepos „Till Eulenspiegel“ (1922) bildet die Alte Poststraße im Kiefernwald bei Erkner den Hintergrund für eine kurze Szene.
Die Vorstudien zu einem „Jesusroman“ und zu einem Testament des „Judas Ischariot“ sind nur Studien geblieben. Erst 1928, in seinem Roman „Der Narr in Christo Emanuel Quint“, kam der Dichter wieder dazu, auf seine diesbezüglichen Erkneraner Anfänge zurückzugreifen. Einige Motive aus den „Ratten“ finden sich ebenfalls in den Erkneraner Skizzenbüchem, so z. B. das Stichwort Alexander Heßler. So hieß der damalige Schauspieldirektor, der sich mit seinem Fundus in einer Mietskaserne in der Berliner Alexanderstraße etabliert hatte und bei dem Hauptmann Schauspielunterricht nahm. Er ist das Urbild des Harro Hassenreuter in dem Drama „Die Ratten“.
Der Höhepunkt des frühen Hauptmannschen Schaffens in Erkner aber ist das Schauspiel „Der Saemann“, von Arno Holz „Vor Sonnenaufgang“ genannt. Die Aufführung war die zweite Vorstellung der eben gegründeten „Freien Bühne“, in deren Vorstand auch die Gebr. Hart saßen. Mit der Veröffentlichung und schließlichen Uraufführung des Stückes am 20. 10. 1889 durch die „Freie- Bühne“ im „Lessingtheater“ tritt der junge Dichter voll in den Gesichtskreis des greisen Theodor Fontane, des seinerzeit berühmten Theaterkritikers der „Vossischen Zeitung“. Dieser Kontakt mit dem erfahrenen, klugen und weitblickenden Senior der deutschen Dichtung jener Tage ist für Hauptmanns weitere literarische Entwicklung schlechthin entscheidend und wegweisend geworden. Fontane war in jenen Jahren durchaus eine Autorität, wozu Paul Heyse in einem Brief an Fontane vom 12. 12. 1889 von dem Respekt schreibt, „mit dem die grünen Jüngsten zu Dir aufblicken... “. Er war den „Jüngsten“ gegenüber kein vorbehaltloser Bewunderer, sondern stand ihnen kritisch-wohlwollend gegenüber: „Gegen die meisten ist viel zu sagen ... ich kann sie nicht talentlos finden.“ (was Paul Heyse ihnen
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