vorgeworfen hatte, d. Verf.). „Und jedenfalls sind einige, die den kritischen Faden spinnen, sehr ,gescheit.“ In dieser Feststellung, die acht Wochen nach der eklatanten Erstaufführung des „Vor Sonnenaufgang“ gemacht wurde, haben ohne Zweifel auch das Erlebnis dieser Aufführung und die daraus gewonnenen Erkenntnisse beigetragen. Fontane bemühte sich um Verständnis und richtige Einschätzung der Bestrebungen der jungen Naturalisten und kam in der ihm eigenen Art im März 1890 zu der Erkenntnis: „... Sie ... geraten... dadurch ins Ridiküle, daß sie den Gedanken, es käme nun eine ganz neue Zeit, vor der alles Zurückliegende völlig nichtig dastehe, bis zur fixen Idee ausbilden. Mich darüber zu ärgern..., fällt mir nicht mehr ein.“ 7
Vor dem Hintergrund dieser Haltung Fontanes gegenüber den Naturalisten ist auch sein Verhältnis zu Hauptmann und dessen Erstlingsdrama zu sehen. Ihm war ein Rezensionsexemplar zugestellt worden, das er zunächst mit Skepsis beiseite legte, nach einigem Drängen eines Bekannten aber doch las und dies mit wachsender Faszination und Bewunderung: „... ich bin noch garnicht zum Arbeiten gekommen, so hat mich der Stoff gepackt. ... Ich bin noch ganz von diesem fabelhaften Stück benommen, eine kolossale Leistung. Das ist viel, viel besser als Ibsen.
... Ich habe gleich heute Nachmittag an Brahm und Mauthner geschrieben und sie auf diesen Hauptmann der schwarzen Realistenbande hingewiesen.“ 8
Und dann erschien in der „Vossischen Zeitung“ vom 21. 10. 1889, also einen Tag nach der Aufführung, jene historisch gewordene Kritik zu dem neuen Stück, deren Signum Th. F. dem Leser für größtmögliche Objektivität und weitblickende Urteilskraft bürgte. Fontane berichtet darin kurz, wie er zu dem Stück kam, wie er dann nach anfänglichem Zögern las und las, bis er ganz in seinen Bann geriet. Er gibt dann eine ausführliche Inhaltsangabe, bevor er es näher beleuchtet. Fontane kommt dabei zu dem grundlegenden Erkentnnissatz: „Gerhart Hauptmann aber darf aushalten auf dem Felde, das er gewählt, und er wird aushalten ... Alles, was ich ... an Ibsen bekämpft hatte ... alle diese Fehler fand ich bei Hauptmann nicht.“ 0 Und in einem Brief an die Tochter Mete vom 14. 9. 1889 heißt es, schon vorbereitend dazu: „Dieser Hauptmann, ein wirklicher Hauptmann der schwarzen Realistenbande ... ist das wirklich, was Ibsen bloß sein will, aber nicht kann... usw.“ lu Und auf dieser soliden Grundlage erwuchs zwischen Hauptmann und Fontane, trotz des großen Altersunterschiedes, eine Lebensfreundschaft, deren wertvolle Bestandteile, helfende Kritik einerseits und vertrauensvolle Zuneigung andererseits, für die folgenden Schritte des aufstrebenden jungen Dichters so überaus bedeutsam werden sollten.
Hauptmann, durch die positive Beurteilung seines ersten, noöh in Erkner geschriebenen Dramas „Vor Sonnenaufgang“ ermutigt, widmete sein zweites Schauspiel „Das Friedensfest“, das er „in einem Landhaus auf dem Schützenhügel bei Erkner“ spielen läßt, Fontane, worauf Fontane mit dem berühmten Satz reagiert:
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