Heft 
(1975) 22
Seite
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Es wird mir eine Freude und Ehre sein, meinen Namen auf dem Widmungsblatt zu finden, auch wenn das Stück mir nicht gefallen sollte, was ich keinen Augenblick glaube. 11

In seiner Kritik wertet Fontane auch das zweite Stück Hauptmannsals einen vollen Beweis für das dichterische Talent Hauptmanns. Dennoch stellt erVor Sonnenaufgang eindeutig über dasFriedensfest, er findet jenesgenialer, kühner, unterhaltlicher, dramatischer, dieses dagegen zwar äußerst realistisch (,Und in der Tat, es sieht in Tausenden von Familien nicht anders aus), doch das Ganze, trotz einigem Muster­gültigem, nicht befriedigend. In dem ganzen Stück sieht Fontane' nur ein schwarzes Gekrabble, das mit seinen ewig beweglichen Scheren sich untereinander kneipt und sticht. Luft, Licht und Freude'fehlen. 12 Mit einem Wort: Fontane hat ein sehr aktuelles Kriterium eines Theater­stücks vermißt: die wegweisende, vorwärtstreibende Lösung eines Kon­flikts. Er kommt dennoch aber zu dem optimistischen, für den Dichter aufmunternden Schluß:

Wenn einer die natürliche Fähigkeit mitbringt, dem Niederdrückenden ein Ende zu machen und lichtere Wege zu gehen, so ist es Gerhart Hauptmann.

InEinsame Menschen, dem dritten Schauspiel Hauptmanns, das sich zugleich noch auf die Erkner-Landschaft bezieht es spielt in Friedrichs­hagen sei hier nur Fontanes Tagebuchnotiz von 1891 zitiert:

... .Einsame Menschen' von Gerhart Hauptmann; sehr respektabel, aber es befriedigt mich künstlerisch doch weniger als seine voraufgegan­genen Stücke. 13

Noch einmal erweist Fontane dem jungen Dichter einen Dienst in der Kritik zuDie Weber von 1894. Gemessen an der ausführlichen Be­sprechung desVor Sonnenaufgang wirkt diese Kritik allerdings etwas knapp. In einem kommentierenden Brief an Otto Brahm tritt Fontanes Wertschätzung des Stückes dennoch offen zutage:

.,... Das Stück ist vorzüglich, epochemachend. Ob jemand daran herum­tadelt, meinetwegen selbst mit Recht, ist gleichgültig... Mit dem Wun­sche, daß die deutsche Literatur ein Prachtstück ... gewonnen haben möge, unter schönsten Grüßen ... usw. 11

Die Folgezeit hat bewiesen, daß Fontanes Urteile über die Stücke des jungen Hauptmann richtig waren. Diese Beurteilungen waren ein wesent­licher Bestandteil der soliden Grundlage, auf der sich nun das gewaltige Gebäude des Hauptmannschen Lebenswerkes erheben konnte.

Noch im Sommer 1885 gab es erste Kontakte zwischen dem jungen Gerhart Hauptmann und demJüngsten Deutschland, jener avantgar­distischen Literaturrichtung, die für Hauptmann in seiner Frühzeit so bedeutungsvoll war. Aber erst ein Jahr später, im Sommer 1886, nimmt Hauptmann enge Kontakte zu den späteren Freunden auf; er lernt Bruno Wille und Wilhelm Bölsche kennen. Im Januar 1887, noch war die erste NovelleFasching nicht geschrieben, noch Hauptmann literarisch völlig

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