„Es wird mir eine Freude und Ehre sein, meinen Namen auf dem Widmungsblatt zu finden, auch wenn das Stück mir nicht gefallen sollte, was ich keinen Augenblick glaube.“ 11
In seiner Kritik wertet Fontane auch das zweite Stück Hauptmanns „als einen vollen Beweis für das dichterische Talent Hauptmanns“. Dennoch stellt er „Vor Sonnenaufgang“ eindeutig über das „Friedensfest“, er findet jenes „genialer, kühner, unterhaltlicher, dramatischer, dieses dagegen zwar äußerst realistisch (,Und in der Tat, es sieht in Tausenden von Familien nicht anders aus“), doch das Ganze, trotz einigem Mustergültigem, nicht befriedigend“. In dem ganzen Stück sieht Fontane' nur „ein schwarzes Gekrabble, das mit seinen ewig beweglichen Scheren sich untereinander kneipt und sticht. Luft, Licht und Freude'fehlen“. 12 Mit einem Wort: Fontane hat ein sehr aktuelles Kriterium eines Theaterstücks vermißt: die wegweisende, vorwärtstreibende Lösung eines Konflikts. Er kommt dennoch aber zu dem optimistischen, für den Dichter aufmunternden Schluß:
„Wenn einer die natürliche Fähigkeit mitbringt, dem Niederdrückenden ein Ende zu machen und lichtere Wege zu gehen, so ist es Gerhart Hauptmann.“
In „Einsame Menschen“, dem dritten Schauspiel Hauptmanns, das sich zugleich noch auf die Erkner-Landschaft bezieht — es spielt in Friedrichshagen — sei hier nur Fontanes Tagebuchnotiz von 1891 zitiert:
„ ... .Einsame Menschen' von Gerhart Hauptmann; sehr respektabel, aber es befriedigt mich künstlerisch doch weniger als seine voraufgegangenen Stücke.“ 13
Noch einmal erweist Fontane dem jungen Dichter einen Dienst in der Kritik zu „Die Weber“ von 1894. Gemessen an der ausführlichen Besprechung des „Vor Sonnenaufgang“ wirkt diese Kritik allerdings etwas knapp. In einem kommentierenden Brief an Otto Brahm tritt Fontanes Wertschätzung des Stückes dennoch offen zutage:
.,... Das Stück ist vorzüglich, epochemachend. Ob jemand daran herumtadelt, meinetwegen selbst mit Recht, ist gleichgültig... Mit dem Wunsche, daß die deutsche Literatur ein Prachtstück ... gewonnen haben möge, unter schönsten Grüßen ... usw.“ 11
Die Folgezeit hat bewiesen, daß Fontanes Urteile über die Stücke des jungen Hauptmann richtig waren. Diese Beurteilungen waren ein wesentlicher Bestandteil der soliden Grundlage, auf der sich nun das gewaltige Gebäude des Hauptmannschen Lebenswerkes erheben konnte.
Noch im Sommer 1885 gab es erste Kontakte zwischen dem jungen Gerhart Hauptmann und dem „Jüngsten Deutschland“, jener avantgardistischen Literaturrichtung, die für Hauptmann in seiner Frühzeit so bedeutungsvoll war. Aber erst ein Jahr später, im Sommer 1886, nimmt Hauptmann enge Kontakte zu den späteren Freunden auf; er lernt Bruno Wille und Wilhelm Bölsche kennen. Im Januar 1887, noch war die erste Novelle „Fasching“ nicht geschrieben, noch Hauptmann literarisch völlig
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