unbekannt, macht er auf Einladung Hansteins erste Besuche in dem Dichterverein „Durch“, der, 1886 gegründet, seine Zusammenkünfte in einem kleinen Restaurant in der Berliner Alten Poststraße abhielt. Hier traf er u. a. mit Paul Ernst, Max Kretzer, Carl Bleibtreu, den Gebrüdern Julius und Heinrich Hart, Bruno Wille und Wilhelm Bölsche zusammen Bruno Wille schreibt dazu:
„Mir fiel an ihm zunächst das Goetheprofil auf und das seltsame Blicken der wasserblauen Augen, ein Gemisch von Beobachtung und melancholischer Träumerei — als ob eine Seele, die im Innersten daheim ist, von Zeit zu Zeit hinausspäht in die umgebende Wirklichkeit.“ 15 Auch Julius Hart äußert sich ähnlich:
„In Erkner wohnte als einer unserer jüngsten Bekannten ein Poet von zarter äußerer Erscheinung und mit einem ausgesprochenen Idealistenkopf.“ 10
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Doch dieses labile und blasse äußere Bild trog. Bald erfuhren die „Durch“-Genossen, daß in diesem scheinbaren Träumer ein energischer Arbeitswille und ein scharfer Verstand zu Hause waren, die gelegentlich bei knappen, fast schüchternen und etwas gehemmt wirkenden Äußerungen in der Diskussion zum Vorschein kamen. Julius Hart berichtet darüber:
„G erhärt Hauptmann lernte ich zuerst in einem der zahlreichen Dichter- klübchen kennen ... Im Verein ,Durch“ war es, wo ich Hauptmann zum erstenmal traf, in einem kleinen, engen und dunstigen Wirtshausstübchen an der Gertraudtenbrücke, das dennoch bequem die Handvoll Menschen umfaßte, die sich dort allwöchentlich zum Kampf der Gesänge zusammenzufinden pflegte... 17
Bruno Willes Erinnerungen geben ein anschauliches Bild der Durch- Atmosphäre, in der Hauptmann also offiziell mit einer literarischen Richtung und Gruppe Verbindung aufgenommen hatte. Wille schreibt: „Ich ... nahm - Platz. Neben einem schmächtigen Jüngling, den die blonde Mähne und die Jägersche Reformtracht ... extravagant erscheinen ligß. ... Während der Vorlesung ... starrte Gerhart Hauptmann ... versunken auf sein Cognacglas, ohne auch nur ein einzigesmal- davon zu nippen ... Er ließ durchblicken, daß er nur zerstreut zugehört habe, woraus ich folgerte: also bezog sich seine Versunkenheit auf die eigene Welt.. .“ 18
Man konnte mit diesem schüchternen jungen Mann zunächst noch nicht viel anfangen, wenn sich auch sein Inneres zuweilen im persönlichen Gespräch, nach Schluß der offiziellen Vereinsdebatte, überraschend offenbarte. Er hinterließ zunächst auch geistig noch einen recht zwiespältigen Eindruck, wie Adalbert von Hanstein, einer der „Durch“-Leute, schreibt: „Er wurde damals noch hin und her geschleudert von einem Gegensatz zum anderen. Hatte ich ihn heute verlassen als einen Kretzerschwärmer, so kam er mir morgen in seinem Garten mit einem Band Byron entgegen und glaubte hier den rechten Lehrmeister gefunden zu haben. Auf seinem Tische lag Bleibtreus Revolutionsbroschüre neben der Antho-
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